Sebastian Kurz hat bisher keine Privatisierungstendenzen erkennen lassen.

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Eines kann man Bundeskanzler Sebastian Kurz schwer anlasten: dass er ein neoliberaler Privatisierungsfanatiker sei. Auch wenn jetzt durch diverse Akten Überlegungen zur einen oder anderen Veräußerung von Staatsvermögen und zu Liberalisierungen publik werden, unterscheiden sich die Türkisen unübersehbar von den einstigen Schwarzen, insbesondere in der Ära Wolfgang Schüssels. Der damalige Regierungschef hatte Anfang der 2000er-Jahre Privatisierungen ins Zentrum seiner Politik gerückt.

Schüssel sprach gerne von den Fesseln und Fängen der Politik, von denen die Unternehmen befreit werden sollten. Privatisierungen, so die Doktrin des Altkanzlers, katapultierten die Werte der einstigen Staatsfirmen in die Höhe und weckten das Anlegerinteresse. Also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Unter Kurz wurde der Trend nicht nur angehalten, sondern teilweise sogar umgedreht. Die Staatsholding Öbag beispielsweise hat nicht nur kein Privatisierungsmandat, sondern will sogar bei standortrelevanten Betrieben einsteigen, um den Standort Österreich zu sichern. Seit dem Ausbruch von Corona wurden weitere Akzente gegen Ausverkauf gesetzt.

Neue Verkaufswelle?

Das scheint im Widerspruch zu Vorkommnissen zu stehen, die in den letzten Wochen bekannt wurden. Einmal sollte das Bundesrechenzentrum mit der Post verpartnert werden, nun tauchen Privatisierungspläne betreffend die Austrian Real Estate (ARE) auf. Dazu kommt noch die Diskussion über eine Ausschreibung von Glücksspiel-Online-Lizenzen, die der Casinos Austria geschadet hätte. Allerdings gab es betreffend die Casag auch die Überlegung, die Spielbankenabgabe deutlich zu senken, wie der Kurier berichtet. Das sieht nicht nach einem durchdachten Konzept aus.

Aus marktwirtschaftlicher Sicht spricht jedenfalls wenig dafür, das Casinos-Monopol abzusichern. Hohe finanzielle Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen, beispielsweise in Form von Sportförderung, könnten auch einem zweiten oder dritten Konzessionär abverlangt werden. Und bei der Beteiligung der ÖIAG an der Casinos Austria stellt sich angesichts der diversen Machenschaften ohnehin die Frage, ob das Engagement dem Allgemeinwohl dient.

Mitterlehner wollte privatisieren

Die nun ventilierten Pläne betreffend die ARE sind nicht ganz neu. In der Vergangenheit – etwa unter Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner – gab es immer wieder Debatten über Teilprivatisierungen. Die ARE ist privatwirtschaftlich im Wohnbau tätig. Dass sie einen Beitrag für günstige Mieten leistet, lässt sich schwer überprüfen, der Rechnungshof kritisierte den Verkauf von Luxuswohnungen. Jedenfalls könnte der Staat auch über andere Instrumente günstigen Wohnbau forcieren, ohne selbst einen Anbieter zu kontrollieren.

(as, 14.7.2020)