Graz – Auf glänzendem Silber rufen Tafeln und Dreiecksständer, auf denen sonst Parteien um Stimmen werben, einem in Graz derzeit seltsame Kommandos zu. "Spielen verboten" – wer will schon mitten auf der Radetzkystraße spielen?

Die Grazer Polizei hat sich mittlerweile an die Schilder im Stadtpark gewöhnt.
Foto: Ada Kobusiewicz

"Geld waschen verboten" beim Finanzamt, "Menschenfleisch essen verboten" unweit des Bauernmarkts am Lendplatz, "Polizei verboten" und "Bla bla bla verboten" im Stadtpark, und auf der Brücke mit den Liebesschlössern vor dem Kunsthaus scheinen gar Küssen, Kinder und "Zack zack zack" verboten zu sein.

Werbung, Wahlplakate, Verordnungen?

Fast überall in Graz stehen noch bis 1. August die über 100 Tafeln und Dreiecksständer, auf denen die Medien- und Installationskünstlerin Ada Kobusiewicz meist irgendwo in der Welt tatsächlich existierende, aber auch frei erfundene Verbote aufgreift. Und diese sorgten von Beginn an für Verwirrung – etwa als ein Dreiecksständer vor dem Grazer Rathaus weggeräumt wurde, weil die Diensthabenden an eine politische Provokation gegen die hier ein und aus gehenden Politiker glaubten.

Klare Anweisungen am Hauptplatz mit dem Rathaus im Rücken und den Blick auf das Grazer Wahrzeichen gerichtet.
Foto: Ada Kobusiewicz

Der Verweis darauf, dass neben Bundeskanzleramt, Land, und der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik auch die Stadt Graz selbst das Projekt gefördert hatte, half. "Vom Uhrturm fallen verboten" steht seither auf einer Seite des wiederaufgestellten Dreiecksständers, wenn man vor dem Rathaus Richtung Schlossberg blickt.

Erinnerung an den Uhrturmschatten

Wenn man auf dem Berg oben ist, findet man übrigens eine Referenz auf ein legendäres früheres Kunstwerk im öffentlichen Raum von Graz: "Uhrturm beschatten verboten" steht hier zur Verwirrung der selten gewordenen Touristen.

Referenz auf Markus Wilflings "Uhrturmschatten" von 2003.
Foto: Ada Kobusiewicz

Denn hier hatte Markus Wilfling seinen "Uhrturmschatten" im Kulturhauptstadtjahr 2003 errichtet. Er symbolisierte die düstere NS-Vergangenheit der Stadt und wurde bezeichnenderweise vor Jahren bei einem Shoppingcenter im Speckgürtel der Stadt "entsorgt".

Kulturjahr 2020

2020 ist Graz zwar nicht mehr Kulturhauptstadt Europas, hat sich aber selbst ein Kulturjahr ausgerufen. Für genau dieses reichte die in Polen geborene Kobusiewicz, die in Spanien Kunst studierte und in Graz arbeitet und lebt, ihr Projekt ein – allerdings vor Corona. "Ban Bang – The Illegality of Public Space" heißt die lautmalerisch an einen Schuss und wörtlich an Verbannung erinnernde Arbeit, die sich auch mit dem Image von Graz als Verbotsstadt beschäftigt. Vor allem aber die "regelrechte Explosion von Verboten in Österreich 2018" inspirierte die Künstlerin.

The Legality of Space

Dabei gibt es eine zweite Referenz auf die Kunstgeschichte. Im Geburtsland der Künstlerin schuf nämlich 1971 Ewa Partum die Installation "The Legality of Space" in Lódz. Ihre Straßen- und Verkehrsschilder spielten ebenso mit realen und erfundenen Inhalten und waren eine Kritik am Kommunismus und seinen Verboten. Mittlerweile hat der Kapitalismus das Verbieten gründlich übernommen. Nur wenige der 102 Tafeln von Kobusiewicz wurden nun für Corona noch adaptiert.

Foto: Ada Kobusiewicz

Denn während man etwa "Berühren verboten" aus einem Museumskontext kennt, ist "Umarmen verboten" doch eher neu und auch "Arbeiten verboten" für viele die traurige sogenannte neue Normalität. Auch "Besuchen verboten" wäre uns noch vor wenigen Monaten skurril erschienen. Doch das war, bevor man bei Oma und Opa nicht mehr vorbeischauen durfte. "Ich möchte provozieren und zum Denken anregen", sagt Kobusiewicz, und das gelingt ihr und Klaus Meßner, der Texte beisteuerte, auch durch die gewählten Standorte.

"Mein Kampf" und Puh der Bär

So steht das in der Verfassung bestätigte "Mein Kampf verboten" wohl eher nicht zufällig neben einem Palais, das die Bude einer der vielen Burschenschaften von Graz beherbergt. "Puh der Bär verboten" hingegen kommt wahrscheinlich Grazerinnen eher bizarr vor – außer sie beschäftigen sich mit der politischen Situation von Hongkong und seinem Kampf um Demokratie, wo der tollpatschige, mäßig intelligente Bär für die Protestbewegung zum Alter Ego von Chinas Staatschef Xi Jinping wurde. China hat den Bären dafür verbannt.

Aufmunternde Worte am Südtiroler Platz.
Foto: Ada Kobusiewicz

Es gibt aber auch ganz wenige aufmunternde Botschaften mitten unter den Verboten: "Alles wird gut" steht gleich auf mehreren Plätzen. Wir möchten es glauben. (Colette M. Schmidt, 13.7.2020)