1,9 Milliarden fehlten plötzlich in der Wirecard-Bilanz. Danach ging alles sehr schnell, der Dax-Konzern kollabierte.

Foto: AFP

Aschheim – Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat die Staatsanwaltschaft München über einen Insiderverdacht beim kollabierten Zahlungsdienstleister Wirecard informiert. Eine Bafin-Sprecherin bestätigte am Montagabend einen entsprechenden "Handelsblatt"-Bericht. Darin hatte es geheißen, problematisch sei unter anderem ein Posting in einem Börsenforum.

Acht Tage vor dem Wirecard-Crash habe darin ein Nutzer geschrieben, dass der Bilanzprüfer EY am 18. Juni nicht uneingeschränkt testieren werde. Die Wirecard-Geschäftsführung habe keine erforderlichen Nachweise erbracht, woher erhebliche Summen als Sicherheiten auf Treuhandkonten stammten, und Mitarbeiter hätten die Information weitergegeben, habe es in dem Post geheißen.

Ergebnis vorweggenommen

Damit habe der anonyme Hinweisgeber das Prüfergebnis von EY vorweggenommen, so das "Handelsblatt". Schon im Frühjahr 2020 seien Konzerninsider bei Wirecard über Probleme mit der Abschlussprüfung informiert gewesen.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München bekräftigte am Abend auf Anfrage lediglich frühere Aussagen, dass es umfangreiche Ermittlungen gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandschef, den Österreicher Markus Braun, und weitere Beschuldigte gebe. Der ebenfalls aus Österreich stammende Ex-Vorstand Jan Marsalek ist untergetaucht. Dabei würden alle in Betracht kommenden Straftaten geprüft. Zur Frage, ob auch Insiderhandel dazugehört, wollte sie sich nicht äußern.

Von McKinsey gewarnt

Die "Financial Times" berichtete am Dienstag außerdem, dass die Beratungsfirma McKinsey den deutschen Skandal-Konzern bereits vor einem Jahr vor Risiken im Zusammenhang mit seinen Asien-Geschäften gewarnt habe. Wirecard hat ja angegeben, das Gros seiner Gewinne mit ausgelagerten Geschäften in Asien zu machen – just dort fehlten dann 1,9 Milliarden in der Bilanz,

Laut "Financial Times" ist das brisant, weil Ex-Vorstand Braun offenbar im Wissen um die Risiken im Asien-Geschäft Monate später noch beteuerte, dass die "Compliance" des Unternehmens einwandfrei sei. Der McKinsey-Bericht warnte laut der Zeitung jedoch davor, dass Manager den Mangel an Kontrolle im Asien-Geschäft nutzen könnten, um Zahlen zu manipulieren – und individuelle Zielvorgaben zu erreichen.

Weiters berichtet die "Financial Times", dass der Bericht intern lebhafte Diskussionen zum Compliance-Management ausgelöst habe. Letztlich habe sich der Vorstand aber dazu entschieden, mit dem McKinsey-Konkurrenten PwC an einem neuen Compliance-Regime zu arbeiten. Allerdings sei PwC auch die Prüfgesellschaft der Wirecard Bank, hebt das Blatt den möglichen Interessenkonflikt hervor. (APA, Reuters, red, 14.7.2020)