Der 28-Jährige wurde vom Gericht in Graz als nicht zurechnungsfähig eingestuft.

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Graz – Im Grazer Straflandesgericht ist am Dienstag ein 28-Jähriger von einem Geschworenensenat in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Er soll im Februar eine ihm völlig unbekannte Frau mitten auf der Straße durch 19 Messerstiche so schwer verletzt haben, dass sie am nächsten Tag starb. Ein Motiv für die Tat gab es nicht, der Mann wurde als zurechnungsunfähig eingestuft.

Staatsanwalt: "Unvorstellbare Tat"

Ankläger Hansjörg Bacher sprach von einer "unvorstellbaren Tat, die auch mich als erfahrenen Staatsanwalt trifft". Er beschrieb, wie der 28-Jährige unter Verfolgungswahn gelitten und sich "wie eine Marionette" gefühlt habe. Er war erst am 3. Februar 2020 aus der Psychiatrie entlassen worden. Einen Tag später geschah bereits die Tat. Zur Mittagszeit sah er an der Kreuzung St. Peter Hauptstraße – Petersbergenstraße eine 33-Jährige, die er nicht gekannt hatte. "Er stellte sich neben sie und begann sofort, mit dem Messer auf sie einzustechen." Die Frau fiel auf den Rücken, er stach laut Staatsanwalt weiter auf sie ein. "Sie hatte keine Chance, sich zu wehren", beschrieb Bacher.

Ein Passant sprang aus seinem Auto und trat dem Zustechenden gegen den Kopf, sodass dieser von seinem Opfer abließ. Ein Arzt, der gerade vorbeikam, kümmerte sich sofort um die Frau. Trotz sofortiger Hilfe und mehrerer Notoperationen war die Frau, die laut Verteidiger ein "Zufallsopfer" war, nicht zu retten.

Beschuldigter spürte "Drang zum Stechen"

Der Betroffene wirkte bei der Verhandlung benommen und beantwortete nahezu alle Fragen des Richters mit Ja. Er gab an, er sei "allgemein deprimiert" gewesen. Seit seinem Suizidversuch 2018 habe er immer wieder Stimmen gehört. Am 4. Februar, einen Tag nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, habe er eine "extreme Anspannung" empfunden. Als er die Frau auf der Straße sah, habe er den "Drang zum Stechen" gehabt.

Ein Zeuge gab an, er habe zunächst zwei Personen "rangeln" gesehen, dann aber plötzlich "einen roten Fleck" bemerkt. Er sprang aus seinem Auto und konnte den Angreifer, den ein anderer Passant schon von der Frau weggetreten hatte, am Boden fixieren. Als jemand fragte "Wo ist das Messer?", antwortete die Schwerverletzte: "Bei mir", schilderte der Zeuge. "Sie hat noch gesagt, dass sie zwei Kinder hat, dann ist sie bewusstlos geworden."

Sachverständiger: "Er war nicht mehr Herr seiner selbst"

"Er war nicht mehr Herr seiner selbst und hat einfach drauf los gestochen", meinte der psychiatrische Sachverständige Christoph Ebner. Seiner Meinung nach seien bei dem 28-Jährigen weiterhin schwere Straftaten zu befürchten, weswegen er sich für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aussprach. Er vermutete, dass der Betroffene sofort nach Verlassen des Krankenhauses am 3. Februar seine Medikamente abgesetzt habe. Dadurch konnte die Krankheit wieder voll ausbrechen. Sie ziehe eine "Störung der Wahrnehmung, des Denkens und der Gefühlsleistung" nach sich, beschrieb der Psychiater.

Die Geschworenen waren ebenfalls der Meinung, dass der 28-Jährige nicht zurechnungsfähig sei und verfügten einstimmig eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Der Betroffene nahm an, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (APA, 14.7.2020)