Sektionschef Christian Pilnacek (links) ist wohl die prominenteste Befragungsperson in dieser U-Ausschuss-Woche. Geladen sind fünf Personen aus der Justiz. Rechts zu sehen: Ministerin Alma Zadić, die bereits befragt wurde.

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Auseinandersetzungen, eskalierende Dienstbesprechungen, Anschuldigungen, die in Strafanzeigen mündeten, Untersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen die eigenen Leute, Einsatz von Mediatoren als wenig fruchtreicher Versuch, das zerbrochene Verhältnis wieder zu kitten: Das alles sind Ingredienzien jenes Justizstreits, der zwischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und ihren Vorgesetzten, der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und Strafsektionschef Christian Pilnacek herrscht oder herrschte, je nach Lesart. Öffentlich wurde die Angelegenheit, als Inhalte einer entglittenen Dienstbesprechung vom 1. April 2019 zur Causa Eurofighter bekannt wurden.

Einige der Protagonisten werden am Mittwoch und Donnerstag im parlamentarischen Ibiza-U-Ausschuss auftreten, bevor dieser in die Sommerpause geht. Beleuchtet werden interne Vorgänge rund um die Ermittlungen zu Postenschacher und Ibiza, zu Weisungen und Verfahren, hinter denen die Abgeordneten unsachliche Beeinflussung vermuten. Pilnacek wird am Mittwoch befragt, ebenso der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, und – von der Gegenseite – Christina Jilek, die die Causa Ibiza bei der WKStA führt.

Am Donnerstag kommen StA- Wien-Leiterin Maria-Luise Nittel und WKStA-Staatsanwalt Gregor Adamovic, thematisiert wird wohl auch das schwierige Verhältnis Soko/WKStA ist.

Hier Schlaglichter auf Causen, um die es auch gehen wird:

  • Die Schredderaffäre

Der Vorgang schien doch relativ ungewöhnlich zu sein. Kurz nach Erscheinen des Ibiza-Videos und vor dem Misstrauensantrag gegen die türkis-blaue Regierung im Mai 2019 ließ der frühere Kanzlerfotograf Arno M. unter falschem Namen und wider Proteste der IT-Abteilung im Kanzleramt bei der Entsorgerfirma Reisswolf Festplatten schreddern – freilich vergaß er zu bezahlen. Die Sache wurde publik, Ermittlungen wurden eingeleitet. Der WKStA, die gerade die Sicherstellung des Handys des Ex-Mitarbeiters von Sebastian Kurz unterschrieben hatte, wurde der Fall entzogen.

Die Zuständigkeitsfrage wurde in einer eher unüblichen, in die Zukunft gerichteten Weisung der OStA Wien abgehandelt: Sollte kein Konnex zu Ibiza bestehen, sei die StA Wien zuständig, man wolle die WKStA vor ressourcenintensiver Ermittlungstätigkeit außerhalb ihres Kernbereichs schützen. Und es musste schnell gehen, wegen Gefahr im Verzug ging die Weisung nur bis zum Sektionschef und nicht bis in den Weisenrat. Das wird mit dem großen öffentlichen Interesse an der Causa begründet. Der noch von der WKStA angeregte Besuch von Ermittlern in der ÖVP-Zentrale fand nicht statt.

Dass die Schredderakten im U-Ausschuss landeten, ist nicht selbstverständlich. Die OStA wollte eigentlich Weisung erteilen, dass der Akt nicht vorzulegen sei. Das drehte das Kabinett im Ministerium aber ab. Die StA Wien hat das Verfahren übrigens eingestellt.

  • "Daschlagene" Ermittlungsstränge

Pilnaceks mittlerweile berühmt gewordene Aufforderung an die WKStA-Staatsanwälte, "Setzts eich zsamm und daschlagts es", fiel am 1. April 2019 in einer Dienstbesprechung zur Frage, wie man mit der Causa Eurofighter rund um den Ankauf der Flieger weitertun solle. Die Staatsanwälte hatten zuvor Mängel in den bisherigen Ermittlungen der StA kritisiert und Verjährungsthemen angesprochen. Pilnacek sah in seiner Aufforderung sinngemäß einen Lösungsvorschlag für verjährte Ereignisse, die Staatsanwälte freilich zeigten ihn wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs an, von einem Ermittlungsverfahren wurde später abgesehen. Ebenso abgesehen wurde von einem Verfahren gegen die fünf Staatsanwälte und die WKStA-Chefin, die die OStA damals etwa wegen Verleumdung angezeigt hatte.

  • Ehrenrunde beim Stadterweiterungsfonds

Auch in der politisch heiklen Causa Stadterweiterungsfonds, in der es um den Vorwurf der Untreue rund um Zuwendungen des (inzwischen aufgelösten) Fonds etwa an Kirchen ging, spielte eine umstrittene Weisung eine Rolle. Angeklagt in der Sache wurden der Ex-Fondschef sowie drei ÖVP-nahe Sektionschefs des Innenministeriums, einer von ihnen ist im Ruhestand. Sie saßen im Kuratorium und veranlassten die Spenden. Satzungswidrig, wie die Ankläger von der WKStA meinten, das Gericht sprach aber vor kurzem alle frei – das Urteil ist nicht rechtskräftig. In der Sache wurde sehr lang ermittelt, 2015 wollte die WKStA Anklage erheben, wegen Spenden in der Höhe von drei Millionen Euro. Der Akt ging zur Oberbehörde und kam erst 22 Monate später aus dem Ministerium zurück, mit der vom Weisungsrat abgesegneten Weisung, die Beschuldigten noch einmal zu befragen. Sektionschef Pilnacek wird nachgesagt, er habe das eine "politische Ehrenrunde" genannt, was er bestreitet. Es sei um Fairness und Wahrung des rechtlichen Gehörs gegangen. Wäre es nach der OStA Wien gegangen, wäre es zu gar keiner Anklage gekommen: Sie wollte Anfang 2016 eine Einstellungsweisung erteilen, das hat das Ministerium aber verhindert.

  • Treffen mit Beschuldigten

Sich als Beschuldigter in einem Strafverfahren bei der höchsten Fachaufsicht über die Behandlung der Staatsanwaltschaft beschweren? In Österreich geht das, zumindest, wenn man Ex-Vizekanzler und Raiffeisen-Generalanwalt ist. Der Anfang des Jahres absolvierte "Höflichkeitsbesuch" von Casinos-Aufsichtsrats-Chef Walter Rothensteiner und Aufsichtsratsmitglied Josef Pröll bei Pilnacek sorgte jedenfalls für Spannungen mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die da erst kurz im Amt war. Es setzte eine Rüge samt Weisung, solche Treffen nicht mehr durchzuführen.

Pilnacek kennt durch seine jahrzehntelange Tätigkeit im Ministerium viele andere Spitzenbeamte und Politiker, was immer wieder Befangenheitsvorwürfe auslöst. Öbag-Chef Thomas Schmid, ebenfalls Beschuldigter, gratulierte Pilnacek vor der Causa Casinos zu einem Auftritt in der ZiB 2. Als die WKStA diese SMS der Ministerin vorlegen wollte, sorgte die OStA Wien für Verzögerungen. Sie sah aber kein Problem in derartigen Nachrichten.

  • Hickhack um Ibiza-Video

Für Verwerfungen im Justizbetrieb sorgte in den vergangenen Wochen aber vor allem das berüchtigte Ibiza-Video. Als die Soko Tape das Material Ende April bei einer Hausdurchsuchung fand, wurde prompt die Staatsanwaltschaft Wien informiert. Die verabsäumte es allerdings – genauso wie die Soko –, der Justizministerin und der WKStA Bescheid zu geben. Auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erwähnte den spektakulären Fund bei Gesprächen mit Zadić nicht. Sie erfuhr, genauso wie die WKStA, erst aus den Medien davon. Im U-Ausschuss gab ein dazu befragter WKStA-Staatsanwalt an, dass sich seine Behörde von diesem Vorgehen "brüskiert" gefühlt habe.

Die neueste Volte in dieser brisanten Angelegenheit: Die Soko Tape übergab der WKStA ein Kuvert mit Video samt Bericht. Das wollte die WKStA aber nicht öffnen und fragte nach, was denn im Kuvert sei. Soko-Tape-Chef Andreas Holzer riet laut Kurier dazu, das Kuvert zu öffnen und nachzuschauen. Daraufhin setzte es eine Beschwerde von WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda bei Holzers Vorgesetzten über die "als impertinent zu beurteilende Ausdrucksweise". (Renate Graber, Fabian Schmid, 15.7.2020)