Der Leiter der Sektion Strafrecht, Christian Pilnacek, sagt am Mittwoch vor dem U-Ausschuss aus.

Foto: APA/HANS PUNZ
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Antonia Rauth: Am Mittwoch und Donnerstag kommt der Ibiza U-Ausschuss zum letzten Mal vor der Sommerpause zusammen. Besonders spannend werden dürfte die Befragung von einem der Drahtzieher im Justizministerium, dem Leiter der Sektion Strafrecht, Christian Pilnacek. Und auch das Ibiza Video dürfte den U-Ausschuss erneut beschäftigen. Welche Rolle Pilnacek spielt und welche Behörde das sagenumwobene Video jetzt bekommen hat, das erklärt Renate Graber vom STANDARD. Renate, Pilnacek war lang oberster Beamter im Justizministerium. Trotzdem sagt der Name jetzt vielleicht nicht jedem etwas. Wer ist denn dieser Mann? Und wie viel Macht hat er?

Renate Graber: Das ist nicht ganz korrekt, er ist immer noch einer der obersten Beamten im Justizministerium. Er ist immer noch Sektionsleiter. Allerdings hat Justizministerin Zadic von den Grünen beschlossen, die beiden Sektionen die zusammengelegt worden waren, nun wieder voneinander zu trennen und beide Funktionen neu ausgeschrieben. Dabei ist anzunehmen, und von manchen wird es auch gewünscht, dass er sich für eine der beiden Sektionen und wieder als Sektionschef bewirbt. Das ist das eine. Mächtig ist er ganz bestimmt gewesen. Pilnacek kennt das Ministerium wie seine Westentasche. Und er ist ein sehr guter Jurist, das ist das andere. Und er hat in den beiden Funktionen als Sektionschef der Legislative und zum anderen als Sektionschef für Strafsachen sehr viel Einblick gehabt in die Politik, da zum einen ja auch die Gesetze verhandelt werden und zum anderen Strafsachen. Als oberster Beamte hatte er dort außerdem Weisungsrecht.

Antonia Rauth: Jetzt gab es hier bereits 2019 im April Vorwürfe, dass Pilnacek seine mächtige Position missbraucht habe. Damals ging es um die Causa Eurofighter. Was war denn da los?

Renate Graber: Die Causa Eurofighter ist eine Never Ending Story in der österreichischen Justiz und sehr lange anhängig. Es geht um den Ankauf der Eurofighter. Die Sache war bislang in der Staatsanwaltschaft Wien anhängig und wurde damals übertragen, also im Frühling 2019 die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Bei einer Dienstbesprechung am 1. April ist es dann aber zu Streit gekommen zwischen den Staatsanwälten die dort waren und Pilnacek. Man hat diskutiert, die Staatsanwälte haben kritisiert, dass die Ermittlungen bislang nicht gut gelaufen seien. Sie haben auch Verjährung auf den Tisch gelegt und evaluiert. Da fiel dann der berühmte Satz von Pilnacek sinngemäß "Wenn das so sei, setzt's euch zusammen und erschlagt's das." Das ist aber bei den Staatsanwälten nicht gut angekommen. Sie haben sich da unter Druck gesetzt gefühlt von Ihrem Vorgesetzten, der ja das Weisungsrecht hat.

Antonia Rauth: Damals war es ja die WKStA, die nach dieser folgenschweren Besprechung Anzeige gegen Pilnacek eingebracht hat. Mit dieser WKStA ist er auch jetzt noch im Clinch. Was steckt dahinter?

Renate Graber: Das war ziemlich komplex damals. Die Staatsanwälte, die an der Besprechung teilgenommen haben, haben dieses Gespräch nämlich aufgezeichnet, ohne jemanden darüber zu informieren. Die hatten dann ein Protokoll, was da alles gesagt wurde, und haben Anzeige erstattet wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. Diese Anzeige haben Sie direkt beim Justizministerium eingebracht, und unterschrieben hat das die Vorgesetzte von der WKStA. dieses Verfahren gegen Pilnacek wurde geprüft, die Behörden haben aber keinen Anfangsverdacht gesehen. Das heißt, es kam nie zu einem Ermittlungsverfahren. Im Gegenzug hat die Oberstaatsanwaltschaft Wien Anzeige gegen die fünf Staatsanwälte erstattet, z.B. wegen Verleumdung. Sie hatten Pilnacek ja vorgeworfen, dass er sein Amt missbraucht habe. Dieses Verfahren gibt es ebenfalls nicht. Auch dieses Verfahren wurde mangels Anfangsverdacht ausgesetzt. Man kann sich gut vorstellen, dass Befindlichkeiten zwischen Sektionschef und WKStA sich dadurch nicht gerade verbessert wurden. Sie waren schon in der Vergangenheit nicht gut. Da ist es dann endgültig eskaliert.

Antonia Rauth: Etwas, das du vorher schon angesprochen hast: Justizministerin Zadic hat Pilnacek Ende Mai. entmachtet. Wie sehr hat denn bei diesem Schritt seine Rolle in der Casinos Affäre mit hinein gespielt? Wie hat die denn ausgesehen?

Renate Graber: Die Justizministerin hat die Positionen ausgeschrieben und ihn so entmachtet. In der Causa Casinos wird ja ermittelt, unter anderem gegen den ehemaligen Finanzminister Josef Pröll und gegen den Raiffeisen Generalanwalt Walter Rothensteiner. Wobei natürlich für alle die Unschuldsvermutung gilt. Die Causa Casino spielt insofern eine Rolle, als Pilnacek sowohl Rothensteiner als auch Pröll zu einem gemeinsamen Termin im Ministerium zu sich ins Büro geladen hat. Das ist erstens nicht unbemerkt geblieben, weil die beiden da auf dem Gang auch Menschen getroffen und begrüßt haben. Pilnacek hat auch Vermerk dazu angelegt, dass er die Leute empfangen habe. Der war aber nicht in den Akten angeführt. Die Ministerin hat eine Weisung erteilt, dass so etwas nicht zu geschehen habe. Das hat nicht unbedingt einen schlanken Fuß gemacht für Pilnacek und die Zufriedenheit der Ministerin nicht unbedingt erhöht.

Antonia Rauth: Morgen soll Pilnacek also vor dem U-Ausschuss aussagen. Worum dürften sich die Fragen denn dabei großteils drehen?

Renate Graber: Das dürfte ein ganzes Bouquet an Fragen sein. Es werden viele Verfahren angesprochen werden. Es sind ja viele Verfahren in der Schwebe. Wir haben die Causa Ibiza, die zum Teil bei WKStA und zum Teil der Staatsanwaltschaft geführt wird. Wir haben die Ermittlungen zum Thema Postenschacher bei den Casinos, und es wird sehr wahrscheinlich über Weisungen gesprochen. Die Staatsanwaltschaften sind ja weisungsgebundene Behörden. Und es sind in diversen heiklen Situationen ja immer wieder Weisungen erteilt worden. Es wird möglicherweise um Verfahren wie den Stadterweiterungsfonds gehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da gab es Weisungen, und auch das ist ein Verfahren, das sehr lange gedauert hat. Es ist überhaupt ein Problem, dass die Verfahren so lange dauern wird.

Antonia Rauth: Wie schätzt du seinen Auftritt morgen ein? Ist das realistisch, dass Pilnacek dem Ausschuss etwas Neues erzählen kann? Oder müssen wir uns auch bei ihm vielleicht auf die eine oder andere ja schon gut bekannte Erinnerungslücke einstellen?

Renate Graber: Ich glaube nicht, dass sich Pilnacek auf Erinnerungslücken beziehen wird. Er ist erstens bereits sehr erfahren in Auftritten vor den diversen U-Ausschüssen, ein souveräner Beamter. Er wird sagen, was er sagen kann und was er sagen will. Und er wird sich wohl auch nicht aus der Reserve locken lassen, wenn die Abgeordneten zugespitzt fragen. Ich nehme an, dass er das sehr ruhig bleiben wird. Aber wir werden sehen.

Antonia Rauth: Ein zentraler Punkt am morgigen Tag im U-Ausschuss dürfte ja auch das Video selbst sein. Welche Behörden haben dieses denn bekommen und welche nicht? Was ist hier der neueste Stand? Hat die WKStA das Video mittlerweile?

Renate Graber: Das Video kann man als die sprichwörtliche heiße Kartoffel bezeichnen. Das hat in der vergangenen Zeit für viele Überwerfungen gesorgt. Die SOKO Tape, das ist jene Ermittlertruppe, die im Bundeskriminalamt rund um die Hintermänner des Videos ermittelt und auch andere Sachverhalte erforscht. Sie hat dieses Videomaterial bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Gut versteckt und in Einzelteile zerlegt, sozusagen und darüber auch die Staatsanwaltschaft informiert. Dazu muss man sagen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt zu den Hintermännern, währenddessen zu den Inhalten, zu potenziellen Spenden an Vereine zum Beispiel. Die Staatsanwaltschaft wurde also informiert, dass sie das Video gefunden haben. Allerdings wurden weder das Justizministerium noch die WKStA informiert.Und einer der beteiligten Staatsanwälte hat gemeint, seine Behörde habe sich von diesem Vorgehen brüskiert gefühlt. Inzwischen gibt es schon wieder eine neue Wendung in dieser Sache, die Staatsanwaltschaft hat nämlich der WKStA einen Brief übergeben samt dem Video, samt einem Bericht. Das ist aber auch nicht so einfach gewesen. Die WKStA hat diesen nämlich nicht öffnen wollen, sondern nachgefragt. Laut einem Bericht der Zeitung KURIER hat der Chef dieses Soko, Andreas Holzer, der WKStA dann etwas flapsig geraten, den Brief halt aufzumachen und nachzuschauen. Das wiederum hat die Leiterin nicht sehr lustig gefunden. Sie hat sich bei Holzers Vorgesetzten beschwert und hat diese Ausdrucksweise impertinent genannt.

Antonia Rauth: Aber noch einmal kurz auf den Punkt gebracht: Wer hat von diesen Ermittlungsbehörden jetzt das Video und wer noch nicht?

Renate Graber: Das Video ist jetzt bei der Staatsanwaltschaft und der WKStA. Wer es noch nicht hat, mit diesen Behörden aber nichts zu tun hat, das ist der U-Ausschuss. De besteht ja schon seit langem drauf, das gesamte Video ausgehändigt zu bekommen. Da gibt es aber auch noch unterschiedliche Auffassungen. Im Justizministerium will man nur relevante Stellen an den Ausschuss übergeben. Die Abgeordneten für das Verfahren hätten natürlich gerne das gesamte Video.

(red, 14.7.2020)