Macron nahm eine Minimilitärparade vor fast leeren Rängen ab.

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Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober war unter den Ehrengästen.

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Es schien ein unverrückbares, ewig gleiches Ritual: Am 14. Juli feierte Frankreich seinen republikanischen Widerstandswillen mit einer Militärparade vor zehntausenden Zaungästen entlang der Pariser Champs-Elysées. Nach den Bällen am Vorabend endete der Quatorze Juillet jeweils mit einem Feuerwerk vor der grandiosen Kulisse des Eiffelturms. Dann entließ der Staatschef seine Mitbürgerinnen und Mitbürger mit ein paar gewählten Worten in den verdienten Sommerurlaub, begleitet vom Ende der ebenso legendären Tour de France.

2020 ist alles anders. Am Dienstagmorgen war die Prachtavenue gähnend leer. Wegen der Ansteckungsgefahr beschränkte die Staatsführung die Zeremonien auf die Place de la Concorde. Dort gab es nur eine kümmerliche – im Fachjargon: statische – Parade. Galauniformierte Einheiten drehten mit Sicherheitsabstand eine Runde vor der Ehrentribüne; karge Flugzeugstaffeln brausten über den größten Platz der Hauptstadt.

Zahlreicher waren Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte, aber auch andere Berufsgattungen von der "Corona-Front": Kassiererinnen, Reinigungskräfte, Feuerwehrleute. Ihnen war der diesjährige Nationalfeiertag gewidmet. Zu Ehren der 30.000 Corona-Toten in Frankreich füllte schwere Blasmusik die publikumslose Stille.

Besuch aus Österreich

Präsident Emmanuel Macron dankte persönlich den anwesenden Vertretern Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Luxemburgs, die Anfang April zahlreiche Notfallpatienten aus dem hart getroffenen Elsass aufgenommen hatten – Salzburg deren drei. Aus Wien war Gesundheitsminister Rudolf Anschober dabei. Kleine Militärdelegationen der vier Länder beteiligten sich am Umzug, der sich erstmals seit 40 Jahren nicht über die Champs-Elysées bewegte.

Noch nie musste sich die Nation mit einem Minidefilee wie 2020 begnügen, noch nie fanden die abendlichen Festivitäten – Konzerte und Feuerwerk – unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Und nach dem Sommer wird die Rückkehr in die Schule oder an den Arbeitsplatz besonders schwierig. Hohe Arbeitslosigkeit droht, dazu eine zweite Covid-19-Welle. Macron räumte in einem Fernsehinterview ein: "Ja, es gibt Anzeichen, dass es wieder beginnt." Aus diesem Grund will Macron in geschlossenen öffentlichen Räumen – Kinos, Restaurants, Ämtern – per 1. August wieder eine Maskenpflicht einführen.

Düstere Aussichten

Noch düsterer sind die wirtschaftlichen Aussichten: Macron gab zu, dass in Frankreich 900.000 Arbeitsplätze gefährdet seien – namentlich in heiklen Branchen wie Luftfahrt, Automobilproduktion oder Tourismus.

Gefragt, ob er eine 20-prozentige Lohnsenkung in Kauf nehmen würde, um eine Entlassung zu vermeiden, vermied der Präsident die Antwort, die von den französischen Arbeitnehmern aber schon längst verlangt wird. Hingegen fordert er von den Firmen "Mäßigung" bei der Ausschüttung von Dividenden ein.

Zum Thema Rentenreform meinte der Präsident, er halte zwar an deren Prinzip fest; Regierung und Sozialpartner sollen aber noch diese Woche eine "neue" Auslegung vornehmen. Ohne es klar zu sagen, schiebt Macron seine hochumstrittene Reform damit auf die lange Bank. Dahinter steht sicher auch die Einsicht, dass den Franzosen derzeit schon genug zugemutet wird. Ihr jüngster Quatorze Juillet gehörte auf jeden Fall nicht zu den glücklichsten. (Stefan Brändle aus Paris, 14.7.2020)

Emmanuel Macron