Die Commerzialbank Mattersburg steht vor der Schließung.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Die Bank unterstützte auch den örtlichen Fußballverein.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Mit einem Paukenschlag hat der Dienstag für die burgenländische Commerzialbank Mattersburg geendet. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA hat der Regionalbank, deren Vorstandschef und Kleinaktionär der Obmann des Bundesligisten SV Mattersburg, Martin Pucher, ist, den Geschäftsbetrieb untersagt und einen Regierungskommissär eingesetzt. Mittwochfrüh erfolgte der nächste Tusch: Der gesamte Vorstand der Regionalbank ist zurückgetreten.

Nach einer Vor-Ort-Prüfung der Aufsicht soll sich der Verdacht erhärtet haben, dass die Bilanzen des Instituts seit Jahren frisiert wurden. Ein mit der Sache Vertrauter erklärte dem STANDARD, es hätten sich Positionen in der Bilanz gefunden, "die es nicht gibt", sprich: Es sei zu wenig Geld da. Eine Strafanzeige der FMA wird folgen, in der Sache wird die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermitteln – wegen der Schadenshöhe, die vermutet wird.

Doskozil: "Viele werden sehr viel Geld verlieren"

Die FMA hat ihre per Bescheid erlassene Maßnahme am Dienstag kurz vor Mitternacht bekanntgegeben. Der Schritt erfolge "zum Schutz der finanziellen Belange der Gläubiger sowie zur Sicherheit der dem beaufsichtigten Unternehmen anvertrauten Vermögenswerte", hieß es in einer Aussendung.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) fand dazu am Mittwoch bei einer Pressekonferenz deutliche Worte: "Die Bank ist zu liquidieren", erklärte er. An einen Fortbestand sei in keiner Weise zu denken. Viele Unternehmen und Privatpersonen würden durch den Bilanzskandal "höchstwahrscheinlich am Ende des Tages sehr viel Geld verlieren".

Eine der Betroffenen könnte die Wiener Technologiefirma Frequentis sein. Sie hält bei der Commerzialbank Einlagen in Höhe von ungefähr 31 Millionen Euro, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Die Aktien an der Wiener Börse gaben daraufhin um 8,51 Prozent nach. "Frequentis beobachtet die Situation sehr genau und evaluiert alle Maßnahmen, um ihre Rechte zu wahren", erklärte das Unternehmen.

Das Burgenland richtet nun Hotlines für Betroffene ein. Das Land selbst ist laut Doskozil nicht betroffen: Es habe keine Geschäftsbeziehung zur Commerzialbank gegeben. Die Energie Burgenland habe dort allerdings rund fünf Millionen Euro veranlagt. "Ich gehe davon aus, dass das Geld weg ist", sagte Doskozil. Die Höhe des Schadens sei derzeit nicht absehbar. Die Finanzmarktaufsicht habe ihm jedoch mitgeteilt, dass die Lage "dramatisch" sei.

Verdacht auf Malversationen

Wie DER STANDARD recherchierte, hat die Bankenaufsicht eine Vor-Ort-Prüfung durchgeführt, bei der dem Vernehmen nach der schwere Verdacht auf gravierende Malversationen aufgetaucht ist. Es soll um die Werthaltigkeit der Bilanzen des Geldinstituts gehen, die Ergebnisse der Prüfung lagen am Dienstag vor. Die Prüfer sollen herausgefunden haben, dass die Bilanzen nicht stimmen.

Die Bank, die Pucher im Jahr 1995 aus dem Raiffeisenverband herausgelöst hat und die heute mehrheitlich einer Kreditgenossenschaft gehört und an der Pucher und andere banknahe Personen Anteile halten, hatte zuletzt eine Bilanzsumme von rund 800 Millionen Euro. Die Spareinlagen betrugen inklusive täglich fälliger Gelder rund 420 Millionen Euro, Einlagen von Kreditinstituten inklusive waren es rund 715 Millionen.

Die letzte veröffentlichte Bilanz betrifft das Jahr 2018, der Bankprüfer TPA prüft die Abschlüsse seit dem Jahr 2006 und hat auch für 2018 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Der Gewinn des Instituts, das acht Filialen und 55 Mitarbeiter hat und vor allem im Mittelburgenland aktiv ist, betrug 4,8 Millionen Euro.

Bankchef ist Obmann des SV Mattersburg

Pucher ist abseits seiner Tätigkeit als Bankchef vor allem als mächtiger und strenger Obmann des SV Mattersburg bekannt – diese Funktion hat er seit 1988 inne. Am Mittwoch hieß es aber, er wolle eine "geordnete Übergabe" an der Spitze des Vereins einleiten.

Unter dem 64-Jährigen hat sich der Fußballverein 2003 in die Bundesliga katapultiert, mit Ausnahme der Jahre 2013 bis 2015. 2005 bis 2009 war Pucher auch Präsident der österreichischen Bundesliga. Das Budget des SV Mattersburg lag bei 6,5 Millionen Euro, einer der Sponsoren ist die Commerzialbank.

Selbige investiert gerade in ein großes Umbauprojekt in Mattersburg – ein Vorhaben, das Pucher schon seit den 1990er-Jahren ventiliert. Der Stadtplatz wird umgebaut, ein neues Rathaus errichtet; rund 30 Millionen Euro soll das "Impulszentrum" kosten. Einen Großteil davon finanziert die Commerzialbank, die Stadt steuert 5,5 Millionen bei. Grundeigentümer ist Pucher.

Firmen und Fußballakademie

Der hat rund um den SV Mattersburg auch ein kleines Firmenimperium aufgebaut. Dem Verein gehört die Fußballakademie Burgenland GmbH zu 35 Prozent, 45 Prozent hält das Land und zehn Prozent die Stadtgemeinde Mattersburg. Pucher selbst ist auch Geschäftsführer der SVM Profisport GmbH, zu der unter anderem eine Sportstättenerrichtungs- und -betriebsgesellschaft gehört.

Als Regierungskommissär hat die FMA Bernhard Mechtler bestellt, er ist auf Banken spezialisierter Wirtschaftsprüfer bei der Kanzlei KPMG und wird nun als Aufsichtsperson fungieren. (Renate Graber, red, 15.7.2020)