Ferdinand Wocasek wohnt mit seiner Patchworkfamilie auf einem früheren Selbstversorger-Grundstück in der Wiener Lobau. Statt Hendln und Hasen hält er in seinem Garten heute mehr als 200 Plüschtiere.
"Man kann sich’s ja kaum vorstellen aus heutiger Sicht, aber genau hier auf diesem Grundstück bin ich mit meinen 47 Kilo und dem schlanken, unauffälligen Einser davor vor ziemlich genau 72 Jahren geschlüpft. Früher, als ich ein noch eher kleines Kind war, hatten wir hier drei Schweine, sechs Hasen und 1200 Hendln. Wir waren ein klassischer Selbstversorger-Bauernhof, einer von vielen hier in der Lobau, mit Viecherln, Kraut, Kartoffeln und Kohlrabi.

Aber diese Zeiten sind längst vorbei. Stattdessen halten wir nun Viecherln aus Plüsch. Begonnen hat das alles vor sechs Jahren. Irgendwann hat irgendwer das erste Kuscheltier in die Wiese platziert, dann das zweite, das dritte, und nach ein paar Wochen hat die Plüschtier-Installation so eine Eigendynamik bekommen, dass wir heute weit über 200 Stück haben – in der Wiese, im Camping-Stuhl, an den Baum gebunden, am Ast schaukelnd oder einfach nur am Galgen erhängt. Ist halt am wenigsten Arbeit, weil einfach nur Strick um den Hals, und das war’s. Manche sagen, das ist makaber, und bezeichnen unseren Garten als Friedhof der Kuscheltiere.
Aber wirklich makaber wird’s zu Halloween, wenn wir vorne an der Straße unseren Sarg hinstellen und ihn mit einem Bewegungsmelder samt Hydraulik und rotem Lamperl ausstatten. Sobald jemand vorbeigeht, öffnet sich der Deckel, und dann setzt sich eine tote Skelett-Tussi mit blonder Perücke auf, die den Passanten zuwinkt. Der Sarg ist ein Ausstellungsstück von einem in Konkurs gegangenen Bestatter. Den Rest haben wir selbst gebastelt. Für die anderen ist es ein beliebtes Fotomotiv, für mich ein genussvoller Zeitvertreib.

Ich wollte eh immer schon in die Zeitung mit meinem Garten. Super, dass ihr mich jetzt gefragt habt! Ich mag euch ja, euch Rosane, also rein prinzipiell. Das Einzige, was mich bei eurer Zeitung stört, ist die Größe. Da muss ich meinen Sitznachbarn in der Bim beim Umblättern jedes Mal bitten auszusteigen. Daher lese ich jetzt lieber kleinere Formate. Das passt auch zu meinem Berufsweg. Nach der Schule hätte ich am liebsten Kunst studiert, aber das wäre brotlos gewesen. Stattdessen bin ich dann Gabelstapler, Elektriker und Installateur geworden. Berühmt bin ich damit nicht geworden. Aber es hat gereicht, um eine echt wunderbare Familie zu erhalten.
Ich wohne hier mit meinem Schwiegersohn Mario, seiner Lebensgefährtin Barbara und meinen beiden Enkerln Lisa und Lukas. Und dann haben wir noch unseren Husky namens Bandit. Meine Frau ist 2017 verstorben, meine Tochter letztes Jahr, und so leben wir hier nun als moderne Patchwork-Family, wie man neudeutsch dazu sagt. Wir sind richtig verrückte Hawerer und haben uns ganz dick lieb. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten hat sich das Wohnen im Garten als großes Glück herausgestellt.

Wir pachten das Grundstück von der Stadt Wien, können theoretisch vierteljährlich gekündigt werden, daher haben wir nie wirklich viel ins Wohnen investiert. Wir wohnen in zwei ganz einfachen Häusln. Ich habe ein Ziegelhaus mit 65 Quadratmetern, die Kinder wohnen gleich daneben in einer Holzhütte mit 200 Quadratmetern. Mal schauen, wie lang das so bleibt. Die Lobau ist auch nimmer das, was sie mal war. Auf der einen Seite kommen immer mehr Nackerte, die in der Dechantlacke oder Panozzalacke baden, sich den ganzen Tag aufgeilen und dann am Nachmittag im Gebüsch herumtupfen. Auf der anderen Seite kommen die Bauträger und Investoren, die die Lobau mit wuchtigen Wohnhausanlagen Stück für Stück zerstören. Aber unsere Nachbarn und wir sind Lobauer Urgestein. Wir werden die Gegend verteidigen." (20.7.2020)