Natürlich darf man seine Einstellung zum Fußballsport auch mit diesem Satz zum Ausdruck bringen: "Warum soll es mich interessieren, wenn 22 Erwachsene in kurzen Hosen einem Ball nachlaufen?" Problematisch wird es nur, wenn man gleichzeitig hauptberuflich als Fußballreporter arbeitet. Ein vergleichbares Beispiel liefern derzeit einige österreichische Innenpolitik-Journalistinnen und -Journalisten, die uns einreden wollen, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss "nur Show", "langweilig" oder "sinnlos" sei. Da nicht davon auszugehen ist, dass diese Berichterstatter über Nacht ihrer Analysefähigkeit beraubt wurden, muss man annehmen, dass dieser Zudeckungsjournalismus auf einer leicht durchschaubaren politischen Agenda beruht.

Um diese zu erkennen, genügt eine Erinnerung an das offizielle Thema des Ausschusses, nämlich "mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". Wenig überraschend werden dort also Fragen gestellt, die für ÖVP und FPÖ eher unangenehm sind. So geht es beispielsweise darum, bei welcher der beiden Parteien die Bemühungen des Automatenglücksspielkonzerns Novomatic, sich Gesetze zu kaufen, auf fruchtbareren Boden gefallen sind.

Mit diesem Sachverhalt haben aber nicht nur dem Prinzip türkiser "Message-Control" sich verpflichtet fühlende Journalisten ein Problem, sondern auch Hans Peter Doskozil. Sein in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister praktiziertes und nun vom U-Ausschuss aufgedecktes Bemühen, der FPÖ beim "Novomatic-Spenden-am-Rechnungshof-Vorbeischmuggeln" behilflich zu sein, lässt darauf schließen, dass er es wohl gern gesehen hätte, wenn die freigiebige Automatenfirma ihre Zuneigung öfter auch Funktionären seiner Partei erwiesen hätte.

Zum Beispiel so wie im Fall des für die SPÖ in der Wirtschaftskammer Niederösterreich sitzenden Kommerzialrats Ernst Riedl. Besagter Herr war viele Jahre Vorsitzender des von der Gemeinde Wien eingesetzten "Spielapparatebeirats", dessen Aufgabe es war, Glücksspielautomaten auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen. Die Bilanz dieses Gremiums ist atemberaubend. Zwischen 2000 und 2006 wurden ihm 4036 Automaten zur Überprüfung vorgelegt. Die Anzahl der daraufhin vom Beirat überprüften Geräte lautet exakt: null.

Diese auf jede Wahrung des Scheins pfeifende Radikal-Arbeitsverwei-gerung verdient fast schon Respekt. Und aus Sicht von Novomatic offenbar mehr als nur Respekt. Wie auf einer bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Liste festgehalten, hat Novomatic-Besitzer Johann Graf rund 30 Millionen Euro einfach so an verschiedene Personen verschenkt. Gleich drei großzügige Schenkungen gingen dabei an die Gattin von Ernst Riedl.

Während sich andere den Kopf über die Frage "Wo woar mei Leistung?" zerbrechen, lernen wir hier, dass sich als Leistung auch die Nichtleistung auszahlen kann.

Ein mutiges Signal in unserer leistungsfixierten Gesellschaft, das vielleicht nicht nur den sich stets zu "linker Sozialpolitik" bekennenden Doskozil beeindruckt. Denn möglicherweise spekuliert auch mancher Zudeckungsjournalist darauf, dass sich Leistungsverweigerung karrieretechnisch noch lohnen könnte. (Florian Scheuba, 16.7.2020)