Blümel ist zudem noch Jungpapa.

Foto: Robert Newald

Man ertappt sich fast schon beim Gedanken, Mitleid mit Gernot Blümel zu haben. Er ist Finanzminister in der schwierigsten Phase der Zweiten Republik, in der es nach dem Corona-Lockdown gilt, die Wirtschaft mit gezielten Maßnahmen wiederanzukurbeln. Er ist Spitzenkandidat der Wiener ÖVP, die nach dem desaströsen Ergebnis von nur neun Prozent bei der Wien-Wahl 2015 wieder zulegen möchte. Die Umfragewerte sind zwar gut, aber das Ergebnis muss erst in trockene Tücher gebracht werden. Und dann ist Blümel auch noch Jungpapa, was auch die eine oder andere schlaflose Nacht mit sich bringt.

Aber halt: Niemand muss mehrere Funktionen gleichzeitig ausüben. Mitleid ist für Blümel fehl am Platz, wenn er sich offensichtlich zutraut, einen Wien-Wahlkampf im Vorbeigehen zu schaukeln. Zu kritisieren ist es allemal. Die Wienerinnen und Wiener haben volle Aufmerksamkeit verdient. Und wenn schon das nicht geht, braucht es zumindest eine klare Ansage, wie es nach der Wahl weitergehen soll. Macht Blümel den Vizebürgermeister unter Michael Ludwig? Agiert er als Oppositionschef im Rathaus? Oder verzupft er sich nach geschlagener Wahl wieder ins Finanzministerium und sagt: "Auf Wiedersehen in fünf Jahren bei der nächsten Gemeinderatswahl!"

Es ist ja nicht so, dass die ÖVP in der Bundeshauptstadt völlig irrelevant ist. Bürgermeister Ludwig liebäugelt durchaus mit einer Koalition mit den Türkisen, um nicht völlig von den Grünen abhängig zu sein. Laut Umfragen dürfte das Ergebnis für die ÖVP auch so gut wie lange nicht mehr werden. Blümel könnte in Wien daher viel gestalten. Zu kritisieren hat die Partei ja immer viel – bei den Themen rund um Migration und Sicherheit, aber auch in der Sozialpolitik. Wenn Blümel seine Visionen für Wien wirklich umsetzen will, dann muss er sich jetzt dazu bekennen: entweder Spitzenkandidat oder Finanzminister. (Rosa Winkler-Hermaden, 15.7.2020)