Im Gastkommentar bringt sich der Wiener Unternehmer Ariel Muzicant in die Debatte um die Verkehrsberuhigung der Stadt ein. Er hält nichts von einem Fleckerlteppich an einzelnen Maßnahmen, wie sie etwa Barbara Laa, die Pressesprecherin der Initiative "Platz für Wien", fordert.

Wollen den ersten Bezirk verkehrsberuhigen: Hebein, Figl.
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Vizebürgermeisterin Birgit Hebein hatte zugesagt, bis Ostern ein Gesamtverkehrskonzept vorzustellen. Stattdessen präsentierte sie mit Bezirksvorsteher Markus Figl ein Verkehrsberuhigungskonzept für die Innere Stadt. Daraus der SPÖ einen Vorwurf zu machen hat wohl eher mit dem beginnenden Wahlkampf zu tun. Wir brauchen wirklich ein Konzept für die ganze Stadt, inklusive des Umfelds in Niederösterreich, und keinen Fleckerlteppich. Dieses muss alle Verkehrsteilnehmer betreffen, vom Fußgänger bis zum Lkw-Fahrer, und sollte die Nutzung des öffentlichen Raums neu definieren.

Dazu gehören genauso neue Ruhe- und Begegnungszonen, wo diese fehlen (nicht unbedingt in der Habsburgergasse oder im ersten Bezirk), also eine umfassende einheitliche Regelung der Parkraumbewirtschaftung, ob das jetzt Zonen sind oder andere Lösungen, aber jedenfalls müssten diese für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer gelten, zum Beispiel auch für Motorräder und Mopeds. Dazu gehören ebenso Regeln für Radfahrer. So gibt es immer mehr Unfälle mit Fahrradrowdys, die gegen Einbahnen und durch die Fußgängerzone radeln oder mit überhöhter Geschwindigkeit Vorrangschilder überfahren. Hier sollte mehr kontrolliert und gestraft werden.

Fehlende Kontrolle

Ein weiterer Grund für die Verschiebung der geplanten Beruhigung für die Innere Stadt war die fehlende Kontrolle. Diese einfach der Polizei zu übertragen ist falsch; brauchen wir doch jeden Polizisten für die Sicherheit in unserer Stadt. Notwendig ist ein modernes elektronisches Kontrollsystem, das wirklich nur jene abhält, die nicht in die Stadt dürfen. Daher sollten die Zufahrten zu den großen Garagen, wie zum Beispiel Neuer Markt oder Am Hof, offenbleiben und Ausnahmen für die Einfahrt in den ersten Bezirk so gering wie möglich werden. Dieses System muss konzipiert und finanziert werden. Auch die seit nunmehr fast zwei Jahren in der Inneren Stadt abgeschafften Anrainerparkplätze (aufgrund eines türkis-grünen Streits) sollten endlich wieder eingeführt werden.

Ein Verkehrskonzept bedeutet auch eine generelle Neukonzeption der öffentlichen Verkehrsmittel. So müssten Straßenbahn und U-Bahn ins Wiener Umland verlängert werden, das Einpendeln in die Stadt und der damit verbundene Verkehr massiv eingeschränkt werden.

Weniger Populismus

Grundsätzlich brauchen wir weniger Populismus und Hauruck-Maßnahmen. Pop-up-Radwege als Verdoppelung bestehender Radwege sollten vielmehr durch die Ausweitung von Radwegen dort, wo sie noch nicht bestehen, ersetzt werden. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Bei den jetzigen Konzepten hat man eher das Gefühl, dass es darum geht, das Autofahren zu behindern, anstatt Lösungen zu finden, um das Autofahren zu reduzieren. Gleichzeitig sollte man auch bedenken, dass es gerade in einer Stadt wie Wien viele Menschen gibt, die auf das Auto nicht verzichten können: ältere Menschen, körperlich Behinderte, Familien mit kleinen Kindern. Es kann wohl nicht sein, dass die Verkehrspolitik der Stadt darin bestehen soll, die Situation dieser Menschen zu verschlechtern.

Daher hat Bürgermeister Michael Ludwig vollkommen recht. Nach der Evaluierung und nach der Wahl sollten sich alle an einen Tisch setzen und eine gemeinsame, wohlüberlegte Gesamtlösung für alle finden, so schwer diese wohl auch sein wird. (Ariel Muzicant, 16.7.2020)