Ein Siegel mit dem Namen des Hyksos-Herrschers Apophis.
Foto: The Metropolitan Museum of Art

1640 bis 1530 vor unserer Zeitrechnung war eine der Phasen, in denen das große Ägypten unter Fremdherrschaft stand. In diesem Fall waren es die geheimnisumwitterten Hyksos. Viel weiß man nicht über sie, die sprachliche Einordnung ihrer Herrschernamen verweist aber darauf, dass sie aus Nordosten gekommen waren: aus einer Region, die sich von der Levante bis möglicherweise zum südöstlichen Teil Kleinasiens erstreckte.

Nun berichten Forscher im Fachmagazin "Plos One", wie es den Fremden gelungen sein dürfte, die Macht in Ägypten an sich zu reißen. Es sei keine klassische kriegerische Invasion gewesen, wie man sich das früher vorgestellt hatte, sondern eine Übernahme von innen. Die auf Analysen menschlicher Überreste beruhenden Ergebnisse wurden im Zuge eines Projekts des österreichischen Archäologen Manfred Bietak vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erzielt.

Den Hyksos ein Gesicht geben

Schon seit den 1960er Jahren graben österreichische Archäologen im östlichen Nildelta nach Hinterlassenschaften der Hyksos. 2009 etwa gelang der spektakuläre Fund einer Pferdestute, die im Palast der Hyksos-Hauptstadt Tell el-Dab'a bestattet worden war. 2015 erhielt Bietak einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten "Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC), um mit dem Projekt "The Hyksos Enigma" das Rätsel um die Herkunft der Königsdynastie zu entschlüsseln.

Bietak hatte bereits 1966 die Hauptstadt der Hyksos auf einem Ruinenhügel bei der heutigen Stadt Tell el-Dab'a entdeckt, ab 2005 legte er mit seinem Team einen ausgedehnten Palastbezirk aus der Hyksos-Zeit frei. Bei den Ausgrabungen wurden bereits viele Daten über die damalige Bevölkerung gewonnen, die neue Erkenntnisse über die Art der Siedlungen, über Palast-, Haus-, Grab- und Tempelarchitektur, über Opferrelikte und Grabbräuche lieferten. Zudem wurden zahlreiche Relikte der Alltagskultur sowie Pflanzen- und tierisches Knochenmaterial gesammelt, das über Bräuche der Hyksos und ihrer Vorgänger Aufschluss gibt.

Was menschliche Überreste verraten

Analysen von Knochen von in Tell el-Dab'a bestatteten Menschen sowie architektonische Vergleichsuntersuchungen der Tempelanlagen gaben auch Auskunft über die lange rätselhafte geographische Herkunft der Hyksos. "Die Elite der Hyksos kam aus dem äußersten Norden Syriens", sagt Bietak. Nun gibt es weitere naturwissenschaftliche Erkenntnisse – in Form der Untersuchung von Strontium-Isotopenverhältnissen in Zähnen von 75 Menschen, die in Tell el-Dab'a begraben wurden. Solche Analysen erlauben Rückschlüsse auf die Herkunft der Personen.

Chris Stantis von der Universität Bournemouth, wo laut Bietak alle bioarchäologischen Untersuchungen des ERC-Projekts durchgeführt werden, analysierte dafür Proben von Zahnschmelz, die bereits in den 1960er Jahren genommen wurden. Ihr Vergleich der Isotopensignaturen aus Ägypten und anderen Ländern zeigte, dass ein großer Prozentsatz der Bevölkerung – sowohl vor als auch während der Hyksos-Dynastie – keine Einheimischen waren, sondern aus zahlreichen anderen Orte eingewandert war.

Keine plötzliche Eroberung

Dieses Ergebnis passe nicht zu der lange verbreiteten Geschichte einer plötzlichen Invasion aus einem einzigen weit entfernten Land, betonen die Forscher. Vielmehr dürfte es sich um eine multikulturelle Region gehandelt haben, in der eine der vorhandenen demographischen Gruppen schließlich an die Macht kam, nachdem sie bereits über Generationen dort gelebt hatte. Gut ein Jahrhundert dauerte ihre Herrschaft an, dann wurden die Hyksos von der aus Theben stammenden Herrscherfamilie der Ahmoniden entmachtet und wieder in Richtung ihrer Urheimat vertrieben.

Bietak würde sich wünschen, derartige Untersuchungen "auf weit größerer Basis gemeinsam mit den ägyptischen Kollegen fortzusetzen". Stantis hat mittlerweile eine Stelle am Smithsonian in Washington D.C. bekommen – für Bietak ein weiterer Beleg dafür, dass sich das ERC-Projekt als "Kaderschmiede für junge Nachwuchswissenschafter erweist". (red, APA, 16. 7. 2020)