Tadschikistan bereitet Menschenrechtsaktivisten bereits länger Sorge.

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Khizbulloi Shovalizoda erreichte im März des Vorjahrs das österreichische Staatsgebiet und stellte einen Tag nach Ankunft einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Tadschike gab an, dass er in seiner Heimat verfolgt würde, weil er der Gruppe der Yazgulami-Sprechenden angehöre. Außerdem werde ihm vorgeworfen, der vom autoritären Präsidenten Emomalij Rahmon verbotenen Partei Islamische Wiedergeburt Tadschikistan (IPWT) anzugehören – laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch ein weiterverbreitetes Vorgehen der autoritären Führung in Duschanbe, um Oppositionelle und Kritiker zu kriminalisieren.

Österreich wies den ersten Antrag ab, das Bundesverwaltungsgericht schließlich auch die dagegen eingebrachte Beschwerde, ein Abschiebebescheid wurde ausgestellt.

Doch Shovalizoda brachte am 10. Jänner dieses Jahres einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz ein. Er habe erfahren, dass gegen ihn in Tadschikistan drei Verfahren wegen Terrorismus eröffnet wurden, er fürchtete eine Verhaftung, sollte er tatsächlich abgeschoben werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) lehnte auch diesen Antrag ab, der 29-jährige Shovalizoda wurde am 4. März per Flugzeug nach Tadschikistan abgeschoben, wo er kurz darauf verhaftet und im Juni zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde.

Information aus Eisenstadt

Diese Abschiebung sei rechtswidrig gewesen, wie nun das Bundesverwaltungsgericht in der Vorwoche urteilte. Denn unter anderem habe das BFA eine Information der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ignoriert, die Ende Jänner zugestellt worden war. Darin berichtete die Behörde, dass einem Antrag der tadschikischen Justizbehörden auf Auslieferung Shovalizodas nicht stattgegeben wurde. Der Grund: Der Antrag habe überwiegend politischen Charakter, und deshalb leite man kein Auslieferungsverfahren ein.

Außerdem stützte sich laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts das BFA während seiner Entscheidungsfindung auf Informationen zur Lage in Tadschikistan aus der Datenbank der Staatendokumentation mit Stand 5. Juni 2018. Dabei gebe es bereits eine aktuelle Fassung aus dem März dieses Jahres, in der angeführt wird, wie internationale Wahlbeobachter 2015 feststellten, dass die Partei Islamische Wiedergeburt Tadschikistans aus dem Parlament ausgeschlossen und später verboten wurde.

Willkürliche Inhaftierungen

Der Präsident Rahmon halte laut dem Datenblatt fast die gesamte Macht gebündelt in seinen Händen und kontrolliere Exekutive, Legislative und Judikative. In Sachen Terrorismusbekämpfung unterscheide das Rechtssystem Tadschikistans nicht zwischen gewaltfreiem und gewalttätigem Extremismus. Die sehr weit gefasste Kriminalisierung diene auch dazu, um gegen Oppositionelle vorzugehen. Außerdem ist in der Information von Menschenrechtsverletzungen wie der willkürlichen Tötung durch Gefängnisbehörden, willkürlicher Inhaftierung sowie Folter und Misshandlung politischer Gefangener die Rede.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts besagt, dass Shovalizoda die Einreise in das österreichische Bundesgebiet nicht verwehrt werden darf, vielmehr sei das BFA "proaktiv verpflichtet, Maßnahmen zu setzen, um den Beschwerdeführer (Shovalizoda, Anm.) wiederum in das österreichische Bundesgebiet zu verbringen".

Ministerium: "Keine rechtliche Grundlage"

Aus dem Innenministerium in Wien heißt es dazu, dass der Rückkehrentscheid zum Zeitpunkt der Abschiebung rechtskräftig gewesen sei. Deshalb habe Shovalizoda abgeschoben werden müssen. Laut Experten des Ministeriums gebe es keine rechtliche Grundlage, um den Abgeschobenen aktiv zurückzuholen. Die Einreise nach Österreich werde ihm aber gestattet.

Dadurch, dass Shovalizoda aber in einem tadschikischen Gefängnis sitzt, scheint das unwahrscheinlich. Für Human Rights Watch ist Österreich zumindest verpflichtet, diplomatische Anstrengungen zu unternehmen, um für seine Sicherheit in Haft zu sorgen. Mit Sorge beobachten die Menschenrechtsaktivisten die Situation in Tadschikistan, deren Führung immer wieder Kritiker auch im Ausland entführen lässt oder Interpolhaftbefehle nutzt, um ihrer habhaft zu werden.

Shovalizodas Anwalt in Österreich, Gregor Klammer, fordert, dass der Staat einsieht, dass er eine Verantwortung seinem Mandanten gegenüber trägt und der öffentliche Druck auf die Behörden steigt. Direkten Kontakt zu Shovalizoda habe er seit dessen Verurteilung nicht mehr, sagt er. (Bianca Blei, 17.7.2020)