Die Commerzialbank soll jahrelang ihre Bilanzen frisiert haben, um über fehlende Eigenmittel hinwegzutäuschen.

Foto: APA/ROBERT JAEGER
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Antonia Rauth: [00:00:15] Ein Bilanzskandal erschüttert das Burgenland. Die Commercialbank Mattersburg dürfte über Jahre hinweg Eigenmittel vorgetäuscht haben, die es eigentlich gar nicht gab. Aufgeflogen ist der Bilanzskandal Anfang der Woche bei einer Vorort-Prüfung der Finanzmarktaufsicht. Tausende kleine Sparer, aber auch große Unternehmen, bangen jetzt um ihr Geld. Wie die Commercialbank jahrelang ihre Anleger täuschen konnte und warum es in dem Fall noch viele offene Fragen gibt, erklärt Eric Frey vom STANDARD. Eric, der Bilanzskandal rund um die Commercialbank ist Anfang der Woche bei einer Prüfung der Finanzmarktaufsicht aufgeflogen. Was genau haben die Prüfer denn da entdeckt?

Eric Frey: [00:00:52] Das wissen wir nicht genau. Das wurde noch nicht bekannt. Aber offenbar sind sie auf Unregelmäßigkeiten gestoßen, auf eine frisierte Bilanz. Eine Bank hat ja Einlagen. Das Geld, das sie für andere verwaltet. Und dann hat sie Aktivposten, also Kredite die sie vergeben haben oder auch andere Vermögenswerte. Und die müssen gleich groß sein. Und wenn diese Aktienwerte nicht richtig sind, also wenn da Sachen drinnen stehen, die es nicht gibt, dann gibt es ein Bilanzloch. Und das dürfte in diesem Fall wohl der Fall sein. Und das könnte schon auch viele, viele Jahre zurückgehen.

Antonia Rauth: [00:01:26] Die Prüfer sind also auf dieses Bilanzloch gestoßen. Wie haben sie darauf reagiert?

Eric Frey: [00:01:31] Ganz, ganz schnell. Die Finanzmarktaufsicht hat sofort gesagt: Diese Bank muss sofort schließen. Die darf nicht weitermachen. Offenbar war wirklich Feuer am Dach. Und das war ein dramatischer Schritt, den man dann unternimmt. Wenn man sagt, diese Bank beruht wirklich auf einem Schwindel.

Antonia Rauth: [00:01:47] Dieses Bilanzloch hat es ja vermutlich nicht erst seit gestern gegeben. So eine Bank wird für gewöhnlich doch mehrmals und nicht nur alle paar Jahre kontrolliert. Wieso ist denn dieser Schwindel solange nicht aufgeflogen?

Eric Frey: [00:01:59] Es gab ja schon längere Zeit Gerüchte, dass bei dieser Commercialbank vielleicht nicht alles ganz stimmen könnte. Eine sehr kleine Regionalbank, die aber ein großes Rad schwingt. Und es gibt zwar die Wirtschaftsprüfer, die jedes Jahr diese Bilanzen auch attestieren müssen. Nur die können relativ leicht hintergangen werden. Die können nicht wirklich hinter die Zahlen schauen bzw. tun das erst dann, wenn sie wirklich einen Verdacht haben. In dem Fall war das nicht der Fall. Die hatten den Eindruck, die Zahlen stimmen, und die Finanzmarktaufsicht ist jetzt auch nicht ständig aktiv dabei und unterwegs beim Detektiv spielen. Andererseits man fragt sich schon rückblickend: Hätten die nicht doch schon früher Verdacht schöpfen können und vielleicht schon früher ihre Intensivprüfer in die Bank schicken können?

Antonia Rauth: [00:02:45] Was bedeutet das denn jetzt für die Sparer? Müssen die jetzt um ihre Einlagen und ihre Ersparnisse bangen?

Eric Frey: [00:02:54] Sie müssen um ihr Geld nicht bangen, solange es nicht mehr als 100 000 Euro sind. Das ist seit der Weltfinanzkrise von 2008/09 so, da wurde das von 20000 auf 100 000 Euro erhöht. Das Geld, das die Einlagensicherung garantiert, also diese 100 000 Euro, wird keiner verlieren. Im Augenblick aber haben die Kunden keinen Zugang zu ihren Konten, können kein Geld vom Bankomat abheben, können keine Überweisungen machen. Und wie lange es dauert, bis ihre Einlagen dann von der Einlagensicherung ersetzt werden, weiß man nicht. Im Augenblick haben Sie ein großes Problem, aber man kann hoffen, dass es innerhalb von einer Woche oder so geregelt wird. Sie müssen halt anderswo schnell ein Konto aufmachen. Dass das aber so dramatisch war, dass es zu diesem sofortigen Abschneiden von finanziellen Ressourcen und von dieser Bank kam, zeigt, wie schlimm auch die FMA offenbar die Lage in dieser Bank eingeschätzt hat.

Antonia Rauth: [00:03:49] Die Commercialbank ist ja eher eine kleine Bank mit nur 50 000 Kunden. Wie kommt denn das, dass trotzdem sehr große Unternehmen da ihr Geld angelegt haben?

Eric Frey: [00:03:58] Das fragt man sich wirklich. Weil wir wissen, die Einlagen sind bis zu einer Summe von 100000 Euro versichert. Aber gewisse Unternehmen haben Millionen dort liegen gehabt. Eine doch sehr erfolgreiche Technologiefirma zum Beispiel mit 31 Millionen und auch noch andere burgenländische Firmen. Entweder hat sich das so ergeben aus einer Vergangenheit, wo die im Burgenland auch schon Geschäfte hatten und da dadurch die Commercialbank als Vertragspartner hatten. Oder hat doch diese Bank sehr gute Konditionen geboten? Wobei das immer verdächtig ist. Wenn eine kleine Bank höhere Zinsen oder weniger Gebühren anbietet als andere größere Banken, muss man sich immer fragen: Ist das Geld dort wirklich sicher? Große Unternehmen haben das nicht gemacht, und für die droht jetzt möglicherweise ein Totalverlust. Wobei das davon abhängt, wie groß das Bilanzloch der Bank wirklich ist. Wenn die Mittel, die fehlen, nicht gar so groß sind, also wenn sehr viele von den Vermögenswerten doch da sind, dann beträgt der Verlust da nicht das gesamte Geld, sondern nur einen Teil. Aber unbeschadet werden die Unternehmen, die dort viel Geld liegen hatten, da nicht rauskommen.

Antonia Rauth: [00:05:09] Der Gründer und Chef der Commercialbank Bank, Martin Pucher, hat sich selbst angezeigt und will mit den Behörden jetzt auch zusammenarbeiten. Wer ist denn dieser Mann?

Eric Frey: [00:05:19] Er ist in dem Fall sozusagen der Hauptverdächtige, da er diese Bank gegründet hat und geführt hat seit 25 Jahren. Ursprünglich war das ein Teil der Raiffeisen Bank, die Pucher dann aus dem Raiffeisen Verbund herausgeführt hat. Also muss man sagen, er trägt sicher eine große Verantwortung. Ob er jetzt wirklich schuld ist, werden erst später Gerichte feststellen. Aber er ist auf jeden Fall der, wo alles zusammen gelaufen ist. Er war auch ein charismatischer Banker mit sehr guten Beziehungen. Sehr viel des wirtschaftlichen Erfolges dieser Bank ist auch mit ihm zusammen gehangen. Dass er sich selbst angezeigt hat war eine Flucht nach vorne. Das ist erst passiert, als die Prüfer schon vor Ort waren und gesagt haben Moment mal, da stimmt etwas nicht. Und, dass er mit den Behörden zusammenarbeiten will? Ja, gut und schön. Aber ihm bleibt keine andere Wahl. Ich vermute auch, dass relativ bald auch die Staatsanwaltschaft hier zumindest mit Ermittlungen beginnen wird.

Antonia Rauth: [00:06:16] Martin Pucher ist nicht nur Bankier, sondern auch gut vernetzt und zudem Präsident des SV Mattersburg. Dieses Amt will er jetzt abgeben. Aber wird der Fußballklub nicht trotzdem einen ziemlichen Schaden durch den Skandal erleiden?

Eric Frey: [00:06:30] Der Fußballklub sportlich hoffentlich nicht. Einen Schaden erleiden wird er finanziell aber auf jeden Fall, weil die Commercialbank war ein ganz wichtiger Sponsor. Und der fällt auf jeden Fall jetzt weg. Dazu kommt noch ein Reputationsschaden, dass man irgendwie als Fußballklub hier in dem Zusammenhang ist mit einem doch echten Bankenskandal, und so muss man das auch nennen. Das kann für einen Fußballklub und für die Fans nicht angenehm sein. Wahrscheinlich aber liegt in dieser Doppelrolle von Martin Pucher sicher auch eine der Erklärungen für das, was hier passiert ist. Da war ein Mann, der eine Bank geführt hat und zugleich sich im Burgenland als großer Gönner angeboten hat, als einer, der viel Fußball sponsert, der andere sponsert, der große Sachen unternimmt. Ja, und da ist es dann oft leicht, andere davon zu überzeugen, dass sie nicht so genau hinschauen und ihm trauen, weil der Herr Pucher ist ja ein hoch angesehener Mann. War vielleicht ein Fehler.

Antonia Rauth: [00:07:28] Er hatte ja, wie du gerade erwähnt hast, in sehr vielen Projekten seine Finger im Spiel. Könnte der Fall da auch noch eine politische Dimension bekommen? Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist zum Beispiel schon sehr schnell auf Distanz gegangen.

Eric Frey: [00:07:40] Ganz, ganz schnell ist Hans Peter Doskozil auf Distanz gegangen, was aber nicht bedeutet, dass da nicht vorher auch ein Naheverhältnis war. Martin Pucher war im Burgenland eine wichtige Figur, auch ein Teil des politischen und wirtschaftlichen Establishments und mit Landesunternehmen eng verbunden, die auch die Bank genutzt haben und dadurch auch viel von den Geschäften und von der Stärke der Bank und des Erfolges der Bank ausgemacht haben. Und ja, ich glaube, da wird noch sehr viel untersucht werden müssen, wie weit hier die Politik möglicherweise auch einem Hochstapler auf den Leim gegangen ist. Oder auch ob Gelder von der Bank geflossen sind für Projekte, die von der Politik gerne gesehen wurden und dafür die Bank hat schalten und walten lassen. Ich will hier nicht den Vergleich zur Hypo Alpe Adria mit dem früheren Landeshauptmann Jörg Haider allzu sehr strapazieren. Aber solche Banken, die da mit der Politik sehr eng verbunden sind, mit Bankchefs, die sich in politischen Zirkeln bewegen, ja, das ist oft das Rezept für einen Bankenskandal. Und für letztlich sehr hohe Verluste, für die zumindest zu guten Teilen auch die Steuerzahler aufkommen müssen.

Antonia Rauth: [00:08:57] Wie geht es denn jetzt weiter mit der Commercialbank? Doskozil hat ja bereits gefordert, dass sie liquidiert werden soll. Was heißt denn das eigentlich konkret? Gibt's da nicht noch andere Möglichkeiten?

Eric Frey: [00:09:07] Also offenbar ist die Bank erst einmal geschlossen. Und ob sie dann wirklich je wieder öffnen kann, ist sehr unsicher. Eine Option wäre, dass irgendeine andere Bank die Bank kauft. Das tut sie aber nur, wenn sie sich sicher sein kann, dass sie nicht auf den Verlusten sitzen bleibt. Dann müsste möglicherweise auch noch das Land oder irgendwer mit irgendwelchen Garantien einspringen. Oder man versucht, die Bank abzuwickeln. Das geht so in einer Form einer kleinen Bad Bank, die dann sagt Okay, es gibt ja Vermögenswerte, die etwas wert sind, und die müssen jetzt verkauft werden. Kredite werden an andere Banken übergeben. Immobilien, die man besitzt, werden verkauft. Und aus diesen Geldern werden die Gläubiger, und das sind vor allem dann die Unternehmen, die alle irgendwie der Bank Geld geborgt haben, dann bedient. Aber das ist ein Teil des Insolvenzverfahrens. Bankeninsolvenzen sind sehr kompliziert, aber man weiß inzwischen, wie man eine abwickeln kann, ohne dass das ganze Finanzsystem zusammenbricht. Zum Glück ist diese Commerzialbank doch ein kleiner Fisch und deswegen sind die Folgen wahrscheinlich auf das Burgenland und vor allem auf die Region rund um Mattersburg begrenzt.