Eine vor dem EU-Gericht gescheiterte Klage gegen die Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat könnte doch noch eine Chance bekommen.

APA/ZB/Patrick Pleul

Luxemburg – Eine bereits gescheiterte Klage gegen die Zulassung von Glyphosat bekommt möglicherweise eine zweite Chance. Im Dezember 2017 genehmigte die EU-Kommission für fünf weitere Jahre den Einsatz des hoch umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels. Die belgische Region Brüssel-Hauptstadt wollte das nicht akzeptieren und klagte dagegen vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Erfolglos.

Das EuG entschied in erster Instanz, die Regionalbehörde sei von der angefochtenen Verordnung nicht unmittelbar betroffen und somit nicht klageberechtigt. Die Belgier zogen nach der Niederlage vor die nächste Instanz, den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Generalanwalt sieht Brüssel im Recht

Der Generalanwalt des EuGH Michal Bobek sieht die Region im Recht. Seiner Auffassung nach wurde die Klage zu Unrecht abgewiesen, argumentierte er am Donnerstag im Berufungsverfahren. In seinem Schlussantrag plädierte er für eine Stärkung der Klagerechte gegen EU-Entscheidungen. Das EU-Gericht habe das Kriterium der "unmittelbaren Betroffenheit" zu eng ausgelegt. Die Region Brüssel sei von der Kommissionsentscheidung sehr wohl betroffen.

Bobek fungiert in dem Fall als Gutachter, seine Meinung ist demnach nicht bindend für die EuGH-Richter. Sie folgen diesen Empfehlungen aber häufig. Ein Urteil wird in einigen Wochen erwartet.

Totalverbot in Österreich

Für Österreich ist der Sachverhalt ebenfalls spannend. Hierzulande hätte im Jänner ein Totalverbot in Kraft treten sollen, ein Formalfehler der Übergangsregierung rund um Brigitte Bierlein verhinderte das allerdings. Aktuell wartet man auf ein Schreiben der EU-Kommission Mitte August, das die Weichen für die Zukunft stellen soll. Insbesondere auch für das Jahr 2022, in dem die EU über die weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels entscheidet.

Die Entwicklung von in Österreich verkauftem Glyphosat in Tonnen, 2000–2018.
Foto: APA

Das Totalherbizid erhitzt Wissenschaft und Landwirtschaft seit Jahrzehnten. Vertrieben wird es unter anderem vom US-Saatgutriesen Monsanto, der mittlerweile zum deutschen Chemiekonzern Bayer gehört. 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung das Pflanzengift als wahrscheinlich krebserregend ein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung nennen es gesundheitlich unbedenklich.

Beim Hersteller argumentiert man naturgemäß, das Mittel sei bei sachgemäßer Verwendung sicher. Die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) schreibt auf ihrer Website: "bei sachgerechter Anwendung gesundheitlich weitgehend unbedenklich". Umstritten sind alle Urteile, was sich negativ auf die Glaubwürdigkeit auswirkt. Eingesetzt wird es in Österreich zu fast 90 Prozent in der Landwirtschaft. Diese wehrt sich vehement gegen ein Totalverbot. Große Einzelanwender wie die ÖBB reduzierten den Verbrauch in den vergangenen Jahren erheblich.

Regelung auf EU-Ebene

Die Union ist bestrebt, in einem einheitlichen Binnenmarkt mehr oder weniger einheitliche Spielregeln zu schaffen, damit für Firmen und Konsumenten überall dieselben Standards gelten. Das hat zur Folge, dass manche Staaten bei gewissen Themen überstimmt werden. Bei der letzten Zulassung von Glyphosat stimmten 18 Staaten dafür, neun Länder – darunter Österreich – waren dagegen. (and, 16.7.2020)