Laut Innenminister Nehammer wurden binnen zweieinhalb Jahren 350 Missbrauchsvorwürfe an die Staatsanwaltschaft gemeldet. (Symbolbild)

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Misshandlungsvorwürfe haben für Polizisten nur äußerst selten Konsequenzen. Das bestätigt eine aktuelle Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an die FPÖ. Laut dieser wurden seit 2018 zwar 350 Fälle bei der Justiz angezeigt, vorläufig suspendiert wurden aber nur drei Beamte. Eine Suspendierung wurde später aufgehoben, in einem Fall gab es eine Geldstrafe, ein weiteres Verfahren läuft noch.

Zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten hat die türkis-grüne Regierung eine eigene Behörde angekündigt, die auch als Beschwerdestelle fungieren und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet werden soll. Ein Konzept dafür soll bis zum Herbst stehen.

Drei plus acht Beamte vorläufig suspendiert

Zu internen Konsequenzen führen Misshandlungsvorwürfe gegen Polizisten derzeit nur selten. Laut Nehammer wurden binnen zweieinhalb Jahren 350 Fälle an die Staatsanwaltschaft gemeldet (129 im Jahr 2018, 155 im Jahr 2019 und heuer 66). In weiteren 102 Fällen hat die Polizei der Justiz mitgeteilt, dass die Vorwürfe für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht ausreichen.

Vorläufig vom Dienst suspendiert wurden in diesem Zeitraum aber nur drei Beamte. In einem Fall wurde die Suspendierung von der Disziplinarkommission aufgehoben (der Beamte kam mit einem Verweis davon), in einem weiteren Fall verhängte die Kommission 2.000 Euro Geldstrafe. Und im dritten Fall läuft das Verfahren noch. Acht weitere sind nach einer Presseaussendung der Wiener Polizei, die sonst nur wenige Details nannte, am Donnerstag suspendiert worden.

Schere zwischen Vorwürfen und Konsequenzen

Die Wiener Polizei war in den vergangenen Monaten immer wieder wegen gewalttätiger Übergriffe auf Demonstranten in die Schlagzeilen gekommen. So hatte am 1. Mai ein Polizist einen Teilnehmer einer Fahrraddemo aus dem fahrenden Auto heraus vom Rad getreten, ein auf dem Boden sitzender Demonstrant wurde mit Fußtritten traktiert. Der Vizepräsident der Wiener Polizei, Michael Lepuschitz, warnte seine Beamten daraufhin, dass in solchen Fällen "Verständnis und Schutz durch Vorgesetzte und Behörde" ein Ende hätten. Gleichzeitig lobte er das deeskalierende Auftreten der Polizei bei den Antirassismuskundgebungen im Juni.

Dass die bei den Staatsanwaltschaften angezeigten Misshandlungsvorwürfe meist nicht vor Gericht landen, hat eine vor eineinhalb Jahren veröffentlichte Studie des Austrian Center for Law Enforcement Sciences gezeigt. Untersucht wurden dafür 1.518 Fälle der Jahre 2012 bis 2015 – davon wurden nur sieben gerichtsanhängig, Verurteilungen gab es keine. Die damalige Studienleiterin Susanne Reindl-Krauskopf wird laut Nehammer nun als eine von vier Universitätsexperten in die Konzeption der Beschwerdestelle eingebunden. (APA, 16.7.2020)