In der akademischen Welt gilt das inoffizielle, aber umso wirkmächtigere Gebot "Publish or Perish" ("Publiziere oder geh unter"). Wissenschafter sehen sich genötigt, möglichst viele Papers zu veröffentlichen – und das nicht aus beruflicher Eitelkeit, sondern aus durchaus handfesten Gründen: Für das berufliche Fortkommen spielt oft die Zahl der eigenen Publikationen eine entscheidende Rolle, respektive die Häufigkeit, mit der diese von Fachkollegen zitiert werden. Wer etwa zum Professor berufen werden will, braucht vor allem eine entsprechende Publikationsliste.

Negative Folgeerscheinungen

Dementsprechend groß ist der Druck, Ergebnisse zu produzieren, die in prestigeträchtigen Journalen veröffentlicht werden können, häufig zitiert zu werden und Förderungen einzuwerben. Der Vorteil des Systems, das sich hier eingespielt hat: Die Zahl der Publikationen, Zitierungen und eingeworbenen Fördermittel ist relativ einfach zu messen. Der Nachteil: Unter dem Publikationsdruck leidet oft die wissenschaftliche Qualität und damit auch die Integrität.

Zitationsrankings bilden nicht die Genauigkeit und Sorgfalt der Arbeit eines Wissenschafters ab und geben auch keinen Einblick in dessen sonstige Beiträge zur Forschung oder zur Lehre. Im Fachblatt "Plos Biology" schlagen Forscher daher nun fünf Prinzipien vor, anhand derer Institutionen die wissenschaftliche Integrität messen und belohnen können. An der Formulierung der sogenannten "Hongkong-Prinzipien" war unter anderem auch die Geschäftsführerin der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), Nicole Föger, beteiligt.

Auch negative Resultate sollten veröffentlicht werden

Unter anderem sollen Institutionen nicht mehr rein die Anzahl von Publikationen, Zitierungen und eingeworbenen Fördermitteln als Gradmesser für die Bewertung der wissenschaftlichen Tätigkeit benutzen, sondern auch verantwortungsbewusste Praktiken wie das Teilen von Daten oder die Einbeziehung der Öffentlichkeit bei der Formulierung von Forschungsfragen belohnen.

Außerdem müsse mit der Praxis aufgeräumt werden, dass nur ausgesuchte Forschungsergebnisse vorgelegt werden und etwa negative Resultate, die die eigenen Annahmen widerlegen, einfach nicht veröffentlicht werden. So sollten etwa Berufungskommissionen darauf Wert legen, dass abgeschlossene Studien auch tatsächlich vollständig publiziert bzw. Daten und Materialien umfassend offengelegt wurden. Nur so könnten Studien überprüft und repliziert werden.

Belohnungen für Transparenz und Zusammenarbeit

Außerdem sollte "Open Science" belohnt werden – also eine Praxis, in der etwa Forschungsdaten und Laborberichte frei zugänglich sind. Dazu gehört auch die Publikation der Ergebnisse via "Open Access". Institutionen wiederum sollten eine große Bandbreite an Forschungstätigkeiten unterstützen, unter anderem auch derzeit wenig prestigeträchtige Replikationsstudien: also Versuche, Studienergebnisse anderer durch eigene Forschung nachzuvollziehen und damit zu überprüfen.

Nicht zu kurz kommen dürften auch andere wissenschaftliche Tätigkeiten abseits der eigenen Publikationen. Dazu gehören etwa das gewissenhafte Peer-Reviewing, also die kritische Bewertung fremder Forschung, oder die Unterstützung der Karriere von anderen Wissenschaftern (Mentoring). Bei Berufungen müssten diese Tätigkeiten ebenso berücksichtigt werden wie die klassische Publikationstätigkeit.

Österreich "kein Vorreiter"

Für Österreich konstatierte Föger, dass auch hier "die Impact-Faktoren wie Publikationen oder Zitierungen mehr zählen als alles andere". Zwar würden manche Universitäten schon darauf achten, dass Bewerber etwa für eine Professur auch gute Lehre anbieten oder internationale Projekte betreuen. "Aber wir sind da sicher in keiner Vorreiterposition."

Auch die Betreuung von Nachwuchskräften werde bei der Bewertung der Forschungsarbeit in Österreich nach wie vor nicht sehr stark honoriert – "vor allem dann, wenn es nicht um die Zahl der betreuten Dissertationen geht, sondern um Mentoring, also wie etwa Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter gefördert werden, wie man permanente Positionen für sie schafft". "Und dass Peer Review speziell bewertet wird, ist mir auch nicht bekannt – das ist in anderen Ländern aber leider auch so", meinte Föger. Recht gut liege Österreich vor allem aufgrund der Initiativen des Wissenschaftsfonds FWF dagegen bei Open Science und Open Access. (APA, red, 17. 7. 2020)