Altbauten werden oft zu teuer vermietet. Insbesondere, weil immer häufiger befristet vermietet, aber auf den Befristungsabschlag vergessen wird.

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In vielen Wiener Altbauten läutete es in den letzten Jahren plötzlich an der Haustür. Manchmal stand davor ein Vertreter oder eine Vertreterin eines Prozessfinanzierers. Sie bieten den Bewohnern an, die Höhe ihrer Miete zu überprüfen und, wenn diese sich als zu hoch herausstellt, für sie vor Gericht dagegen vorzugehen. Uneigennützig ist das freilich nicht: Im Erfolgsfall fällt eine saftige Provision an, mitunter 40 Prozent oder mehr der über die Jahre zu viel bezahlten Miete. Das kann schon lukrativ sein: Immer wieder gibt es Mieter, die vom Vermieter 10.000 Euro und mehr zurückerstreiten.

Der Hintergrund: In Altbauten – also in Häusern, die vor 1945 errichtet wurden – sind die Mieten gedeckelt. In Wien liegt der Richtwert exklusive etwaiger Zu- und Abschläge bei 5,81 Euro pro Quadratmeter. Viele Vermieter verlangen aber mehr, wie zuletzt eine Recherche der Mieterhilfe der Stadt Wien ergab. Dafür wurden 40.000 Altbau-Wohnungsinserate gescreent. Das Resultat: Im Durchschnitt wurden für die Wohnungen Nettohauptmieten von 10,2 Euro pro Quadratmeter verlangt. Die überwiegende Mehrheit wurde nur befristet vergeben, auf den Befristungsabschlag von 25 Prozent dabei oft vergessen. Die Arbeiterkammer schlug jüngst in dieselbe Kerbe und forderte ein Ende befristete Mietverträge.

Während Politik und Immobilienbranche regelmäßig ein neues und vor allem transparenteres Mietrecht fordern, sich diesbezüglich aber seit Jahren auf keine konkrete Ausgestaltung einigen können, haben sich in den letzten Jahren also Prozessfinanzierer etabliert, die geschröpften Mieterinnen und Mietern zu Gerechtigkeit verhelfen. Oder ihnen das zumindest versprechen. Denn was viele nicht wissen: Sie könnten sich mit ihrem Anliegen auch an eine Mieterschutzorganisation wenden. Dort müssten sie zwar Mitglied werden und Beiträge zahlen, dafür fällt keine Provision an.Eine weitere Option: Mieter können selbst vor die Schlichtungsstelle ziehen, auch wenn die Antragstellung nicht ganz einfach ist.

Private Einigung

Bei der Mieterhilfe der Stadt Wien ärgert man sich jedenfalls über Prozessfinanzierer. "Man merkt, dass der Markt für sie eng wird", sagt Mieterhilfe-Chef Christian Bartok. Er kennt Fälle, in denen sich Keiler an der Haustüre als Mitarbeiter der Stadt ausgegeben haben, um Vertrauen zu erwecken. Noch etwas führe oft zu Verwunderung: Manche Prozessfinanzierer sackeln nicht nur Provision für die in der Vergangenheit zu viel kassierte Miete ein – sondern auch für die Miete, die man sich in den nächsten drei Jahren erspart. "Das ist echt viel Geld", sagt Bartok.

Auch Walter Rosifka von der Arbeiterkammer kennt die Problematik: Erst unlängst erreichte ihn die Beschwerde eines Mieters, der zwar 11.000 Euro an zu viel bezahlter Miete zurückbekam – 8000 davon kassierte aber der Prozessfinanzierer. Branchenkenner berichten außerdem von Fällen, in denen sich Mieter und Vermieter doch privat einigten – und der Prozessfinanzierer dann seine Erfolgsprovision einklagte. "So wird das Klima in den Häusern vergiftet", urteilt ein Marktbeobachter.

Mieterhilfe-Chef Bartok weiß aber auch, dass es viele Menschen gibt, die sich den Mitgliedsbeitrag bei einer Mieterschutzorganisation nicht leisten können und daher zu Prozessfinanzierern gehen, die erst im Erfolgsfall kassieren. Bartok berichtet außerdem von neuen Geschäftsmodellen, bei denen Geld vorgestreckt wird, bevor der Prozess gewonnen ist. Zunehmend übernehmen Unternehmen auch Kautionsrückforderungen.

Schwarze Schafe

Mieterunter war nach Eigenangaben der erste Prozessfinanzierer im Wiener Altbau. Auch dort ärgert man sich mittlerweile allerdings über die Methoden schwarzer Schafe. Haustürgeschäfte gebe es bei ihnen keine, sagt Philipp Huller von Mieterunter. Kunden kämen über Facebook und Google. Huller betont, dass sein Unternehmen das gesamte Prozessrisiko trägt. Dass Mieterschutzorganisationen die Prozessfinanzierer ein Dorn im Auge sind, überrascht ihn nicht, immerhin sei man Konkurrenz.

Bei Mieterunter ist man aber überzeugt davon, dass das Unternehmen mehr für Mieter herausholt, weil man nicht aus Kostengründen in erster Instanz eine Einigung erzielen und dem Vermieter nicht entgegenkommen muss. Genau diese Vorgehensweise findet ein Branchenkenner, der nicht genannt werden will, aber so problematisch: "Eigentlich muss man so verhandeln, dass sich am Ende Mieter und Vermieter noch in die Augen schauen können."

Eines ist jedenfalls klar: Wenn der Prozessfinanzierer vor der Tür steht, ist die Miete ziemlich sicher zu hoch. Und dieses Wissen kann viel wert sein. (Franziska Zoidl, 19.7.2020)