Die Aufnahmen wurden auf einer Wellenlänge von 17 Nanometern gemacht, also im extremen ultravioletten Bereich des elektromagnetischen Spektrums.
Foto: Solar Orbiter/EUI Team (ESA & NASA); CSL, IAS, MPS, PMOD/WRC, ROB, UCL/MSSL

"Lagerfeuer auf der Sonne" meldet die Europäische Weltraumorganisation (ESA): Auf den ersten Nahaufnahmen der Sonnensonde Solar Orbiter zeigen sich solche Miniatur-Eruptionen überall auf der Oberfläche der Sonne. Es seien "die kleinen Geschwister der Sonneneruptionen, oder Flares, die wir von Satelliten nahe der Erde aus beobachten können, nur millionen- oder milliardenfach kleiner", sagt David Berghmans vom Königlichen Observatorium von Belgien. "Die Sonne mag auf den ersten Blick ruhig erscheinen. Wenn man jedoch genauer hinsieht, erkennen wir überall diese Miniatur-Flares."

Die Aufnahmen entstanden in den Tagen vor und nach dem 15. Juni, als die Raumsonde den sonnennächsten Punkt ihrer aktuellen Umlaufbahn erreichte. Es sind dies die ersten Bilder, die der Solar Orbiter ein knappes halbes Jahr nach seinem Start von der Sonne geschickt hat. Und schon jetzt könne man interessante neue Phänomene sehen, sagte Daniel Müller, Projektwissenschafter der ESA, bei der Präsentation der Bilder.

Die Mission

Einzigartig sei auch, dass bisher keine Mission Bilder von der Sonne aus einer derart geringen Entfernung aufnehmen konnte. Nur 77 Millionen Kilometer, quasi der halbe Weg zwischen Erde und Sonne, war die vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt gesteuerte Sonde bei diesen Aufnahmen von der Sonne entfernt.

Der Solar Orbiter, ein Gemeinschaftsprojekt von ESA und NASA, war im Februar vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida gestartet. Die Sonde kommt mit jedem Umlauf der Sonne näher und soll Anfang 2022 in einem Abstand von 48 Millionen Kilometern mit dem eigentlichen wissenschaftlichen Programm beginnen. Sie soll sich der Sonne noch bis auf 42 Millionen Kilometer nähern.

Die Sonde wird erstmals auch die Pole der Sonne überfliegen und damit deren weniger bekannten Regionen von "oben" erforschen: "Sie sind zentral für die Beschaffenheit des Magnetfeldes – und dieses wiederum beeinflusst die gesamte Sonnenaktivität", sagt Astrid Veronig, Sonnenphysikerin am Institut für Physik der Uni Graz. Der Sonnenwind, plötzliche Strahlungsausbrüche, Auswürfe von Materie oder die Beschleunigung von hochenergetischen Teilchen können auf der Erde großen Schaden anrichten – von falschen Satellitensignalen bis zu weiträumigen Stromausfällen.

Wirklich nur Miniaturausgaben?

Die Universität Graz leitete die wissenschaftliche Softwareentwicklung des Röntgenteleskop STIX an Bord, das Einblicke in die Beschleunigung hochenergetischer Teilchen in Sonneneruptionen liefern soll. Durch den Vergleich der Miniatur-Eruptionen mit normal großen Ausbrüchen erwartet man sich unter anderem neue Erkenntnisse über die Aufheizung des äußeren Strahlenkranzes.

Und noch ist nicht sicher, ob diese "Lagerfeuer" tatsächlich nur winzige Versionen von großen Flares sind oder ob sie von anderen Mechanismen angetrieben werden. Es gibt laut ESA bereits Theorien, dass sie zu einem der geheimnisvollsten Sonnen-Phänomene beitragen könnten, der koronalen Aufheizung. Diese äußere Schicht der Sonnenatmosphäre, die sich über Millionen von Kilometern in den Weltraum erstreckt, ist nämlich mehr als eine Million Grad Celsius heiß. Die eigentliche Oberfläche der Sonne bringt es hingegen "nur" auf etwa 5500 Grad.

Österreichische Beiträge zur Mission

Österreichische Institutionen beteiligten sich an drei der zehn Instrumente an Bord sowie an der Sonde selbst. Neben der Uni Graz war auch das Institut für Weltraumforschung Graz (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entscheidend involviert. Es entwickelte den Bordcomputer für das Radio- und Plasmawellen-Instrument (RPW) und kalibrierte dessen Antennen. Es soll die magnetischen und elektrischen Felder in hoher zeitlicher Auflösung messen und mithilfe mehrerer Sensoren und Antennen die elektromagnetischen und elektrostatischen Wellen im Sonnenwind charakterisieren. Darüber hinaus hat das IWF beim Magnetometer (MAG) mitgewirkt, das Messungen des Sonnenmagnetfeldes macht.

Um vor den hohen Temperaturen von mehreren Hundert Grad geschützt zu sein, verfügt die Raumsonde über einen Hitzeschild aus Titan. Für die Thermalisolation des Satelliten war wiederum die Wiener Weltraumfirma RUAG Space zuständig. (red, 16. 7. 2020)