Rechtsanwalt Helmut Graupner und Alex Jürgen mit Reisepass und Geburtsurkunde im Mai 2019 – damals noch mit der Eintragung "X" statt "inter".

Foto: APA/HELMUT GRAUPNER

Wien – Das Standesamt Steyr hat erstmals eine Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag "inter" ausgestellt. Bisher hatte das Innenministerium die Eintragung dieser Geschlechtsbezeichnung trotz höchstgerichtlicher Vorgaben verweigert. Nach einer Amtsmissbrauchsanzeige gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und dessen Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ) erfolgte die Eintragung nun doch, wie das Rechtskomitee Lambda mitteilte.

Ausgestellt wurde die Geburtsurkunde für Alex Jürgen. Jürgen wurde intergeschlechtlich geboren und bestand auf den Geschlechtseintrag "inter". Laut Innenministerium handelt es sich nun im Fall Jürgens um die Umsetzung für den konkreten Einzelfall. Innen- und Sozialministerium würden derzeit an einem neuen Erlass arbeiten, wie Behörden mit Geschlechtseintragungen in Dokumenten künftig umgehen sollen, so ein Sprecher.

Ein Erlass des ehemaligen Innenministers Kickl von 2018 erschwert die Eintragung eines "dritten Geschlechts" nach wie vor, weil von intergeschlechtlichen Personen ein medizinisches Gutachten verlangt wird. Ein solches Gutachten sollte laut Behörden durch sogenannte "VdG-Boards" (Anm.: VdG steht für "Variante der Geschlechtsentwicklung") erstellt werden. Die gibt es allerdings bis heute nicht. Das kritisierten erst kürzlich Lambda-Präsident und Rechtsanwalt Helmut Graupner und LGBTIQ+-Sprecher Yannick Shetty von den Neos auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Eintragung hätte schon 2018 stattfinden müssen

Eigentlich hätte Alex Jürgens' Geschlechtseintragung "inter" bereits 2018 erfolgen müssen. Damals bestätigte der Verfassungsgerichtshof das Recht auf Eintragung jenes Geschlechts, das der persönlichen Identität entspricht – also nicht nur männlich oder weiblich, sondern etwa "divers", "inter" oder "offen". Tatsächlich ausgestellt wurden Antragstellern aber nur Dokumente mit dem Eintrag "X" oder "divers". Den von Jürgen gewünschten Eintrag verweigerte das Innenministerium unter Verweis darauf, dass das in der Software des Ministeriums nicht vorgesehen sei.

Der Rechtsanwalt Helmut Graupner, Vorsitzender des Rechtskomitee Lambda, brachte daher Mitte Juni Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs gegen Innenminister Nehammer (ÖVP) und seinen Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ) ein. Keine drei Wochen später habe ihm das Standesamt Steyr mitgeteilt, dass die Software geändert worden sei und der Eintrag nun erfolgen könne, sagte Graupner: "Es ist traurig, dass man in einem Rechtsstaat wie Österreich die Strafjustiz befassen muss, bevor man Justizurteile umsetzt und respektiert."

Graupner geht davon aus, dass die Anzeigen nun zurückgelegt werden. (APA, red, 16.7.2020)