Gregor Adamovic ist Oberstaatsanwalt der WKStA und unter anderem für die Causa Casinos zuständig.

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Interna über Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Politiker und Mitarbeiter der ÖVP, die nach außen dringen: Das erzürnte vergangenen Winter unter anderem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der sich in einem Hintergrundgespräch über die undichten Stellen beschwerte. Am Donnerstag stand im Ibiza-Untersuchungsausschuss dann die Welt kopf: Denn plötzlich stand im Raum, dass die ÖVP geschützte Unterlagen über die WKStA nach außen gespielt hatte.

Zumindest erzählte WKStA-Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic, dass seine Behörde auf einem USB-Stick einen bislang unbekannten Bericht der Soko Tape erhalten hatte – und zwar mit Wasserzeichen der ÖVP. Dieser sei zuvor an Medien gegangen. Gerstl sagte dazu, man habe den Bericht im Ausschuss vorgelegt und nie zurückbekommen – und zwar am 6. Juni; da fand aber keine Sitzung statt. Um die Klärung muss sich nun der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) kümmern.

Ein Chauffeur bei Strache

In dem Bericht, der auch dem STANDARD vorliegt, beschwerte sich Soko-Leiter Andreas Holzer über die Zusammenarbeit mit der WKStA. Diese sei "klar verbesserungswürdig", hieß es. Außerdem beschwerte sich Holzer, dass Adamovics Chauffeur bei der Hausdurchsuchung bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache anwesend war. Im U-Ausschuss dazu befragt, sagte Adamovic, der Chauffeur arbeite in der WKStA, er werde immer wieder für Hilfsarbeiten zugezogen.

Geprägt war die Befragung von der frostigen Stimmung zwischen der ÖVP und der WKStA. Der türkise Fraktionsführer Wolfgang Gerstl meinte schon vor der Befragung, die Antikorruptionsbehörde gehöre "reformiert". Er sprach von "Postenschacher" in der WKStA. Dort besetzt übrigens Verfassungsministerin Karoline Edtstadler einen sogenannten Mascherlposten, der ihr als Justizmitarbeiterin mehr Gehalt brachte – ohne dass sie tatsächlich bei der WKStA gearbeitet hatte.

Wie viel verdienen Sie?

Ums Geld ging es dann auch bei der Befragung Gerstls: Wie viel Adamovic denn verdiene, wollte der türkise Abgeordnete wissen. Keine zulässige Frage, entschied die Verfahrensvorsitzende Doris Bures (SPÖ), die ab Mittag Wolfgang Sobotka (ÖVP) vertrat.

In den vergangenen Tagen hatte die ÖVP in ihren Befragungen immer wieder auf vermeintliche Fehler und Schwächen der WKStA abgezielt, allerdings ohne großen Erfolg. So nahmen am Mittwoch auch Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek und Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien ihre Kollegen in Schutz – obwohl beide wegen interner Reibereien sogar an einer Mediation mit der WKStA teilnehmen mussten.

Auch Maria-Luise Nittel, Leiterin der Staatsanwaltschaft (StA) Wien und erste Auskunftsperson am Donnerstag, verlor kein schlechtes Wort über die WKStA. Mit deren Leiterin Ilse Vrabl-Sanda sei sie lange befreundet, so Nittel. Und: Die Arbeitsaufteilung zwischen der StA Wien und der WKStA funktioniere gut.

Über den Fund des Ibiza-Videos durch die Soko habe die StA Wien ihre WKStA-Kollegin deshalb nicht informiert, weil sie davon ausging, dass das ebenfalls durch die Soko geschehen würde. Auch Pilnacek und Fuchs kritisierten den fehlenden Informationsfluss von der Soko an die WKStA.

Das Verhältnis zwischen der polizeilichen Sonderkommission und den Korruptionsstaatsanwälten war von Beginn an von Misstrauen geprägt. Das zeigte sich etwa in der sogenannten Schredderaffäre. Bis heute ist ungeklärt, ob die WKStA-Staatsanwältin Christine Jilek Smartphone und Laptop des schreddernden Kanzlerfotografen sicherstellen wollte, wie die WKStA behauptet, oder eben nicht, wie die Soko angibt.

Jilek wird dazu erst nach der Sommerpause aussagen, ihre Befragung im U-Ausschuss ging sich am Mittwoch aus Zeitgründen nicht mehr aus. Die Schredderaffäre wurde dann an jenem Tag, an dem die WKStA die Sicherstellung der Geräte anordnen wollte, an die StA Wien übergeben. Der Grund dafür: Das mittlerweile von Brigitte Bierlein geführte Kanzleramt gab in einem Schreiben an, es bestünde keine Verbindung zwischen der Causa Ibiza und dem Festplattenvernichten.

Das ewige Schreddern

Deshalb sah es die StA Wien laut Nittel auch nicht als geboten an, weitere Einvernahmen oder Anordnungen hierzu durchzuführen. Was übrigblieb, war ein Betrugsvorwurf gegen den Mitarbeiter, weil er beim Schredderexperten Reißwolf eine 75-Euro-Rechnung nicht bezahlt hatte. Auch das wurde eingestellt, da der Kanzlermitarbeiter glaubhaft machen konnte, nicht vorsätzlich gehandelt, sondern schlicht vergessen zu haben.

Die Schredderaffäre ist einer der Hauptgründe für den Unmut der ÖVP gegenüber der WKStA. So soll der Mitarbeiter bereits vor der Polizei von einem Journalisten kontaktiert und zur Causa befragt worden sein. Das interpretieren türkise Kreise als Beweis für undichte Stellen bei der WKStA – wenngleich die Informationen auch von anderer Stelle hätten kommen können. Dass der mittlerweile beförderte Mitarbeiter nach der Sommerpause auch in den U-Ausschuss kommen soll, interpretiert man in der ÖVP als Schikane der Opposition, die einfache Mitarbeiter vor den Vorhang zerrt. (Fabian Schmid, Renate Graber, 16.7.2020)