Beschäftigt sich als Oberarzt und Chirurg mit Erkrankungen des Enddarms: Proktologe Zacaria Sow im Wiener Krankenhaus Nord.

Susanne Einzenberger

"Dass ich es schwerer habe als andere – dieses Gefühl hatte ich nie. In meiner Jugend hatte ich allerdings regelmäßig Ausweiskontrollen durch die Polizei, das war manchmal ungut. Aufgehört hat das erst, als ich mir meinen Doktortitel in den Führerschein schreiben ließ. In Niederösterreich wurde ich damals natürlich schon angeschaut wegen meiner Hautfarbe, es ist da aber nie etwas Schlimmes passiert. Wahrscheinlich hat das auch damit zu tun: Ich war zwar goschert, aber Konflikten gehe ich eher aus dem Weg.

Gewalt habe ich nur ein einziges Mal erlebt, vor 20 Jahren bei einer Donnerstagsdemo gegen Schwarz-Blau auf dem Schwedenplatz, das war auch so etwas wie das Ende einer Unbeschwertheit bei mir.

Aufgewachsen bin ich in einer ländlichen Region in Niederösterreich, auf einem Bauernhof, Kühe, Melken, Heuarbeit, in der Schule war ich in Wien, meine Hautfarbe hat mich dort nie belastet oder zu Belastendem geführt, ich durfte mich eigentlich immer als Österreicher mit Mehrwert fühlen. Meine Mutter hat dort in Niederösterreich auch meinen Vater, er ist aus dem Senegal, kennengelernt, bei einem Fest, er war im Rahmen eines Künstleraustauschprogramms in Österreich. Später nahm mich mein Vater auch in sein Zuhause in den Senegal mit, ich habe also auch dort Familie, das ist etwas besonders Schönes.

Dass ich Arzt werden möchte, wusste ich schon als Kind. 2008, nach dem Studium, bin ich für drei Jahre nach Schweden gegangen für erste medizinische Erfahrungen – eiskalt war es dort wirklich! Angesprochen hat mich dort auf meine Herkunft niemand, es war ganz selbstverständlich. Dann habe ich meine Facharztausbildung in Allgemeinchirurgie gemacht, mich auf Erkrankungen des Enddarms spezialisiert. Warum gerade das, womit sich die meisten Menschen ungern beschäftigen?

Es ist ein Tabuthema, und man kann als Arzt hier sehr schnell die Lebensqualität verbessern. Sehr viele Menschen, vor allem viele Frauen, sind in zunehmendem Alter von Problemen betroffen und isolieren sich deswegen, stellen ihr soziales Leben aus Scham und Angst ein. Da kann man als Darmspezialist unmittelbar und meist sehr schnell helfen, kriegt positives Feedback und hat einen kleinen Beitrag für ein besseres Leben geleistet. Ich habe da so eine Art Mission.

Meine Hautfarbe ist im Laufe der Ausbildungsjahre, mit zunehmender Karriere eigentlich immer mehr in den Hintergrund getreten – allerdings, muss ich sagen, bei der Bewerbung in Österreich nach der Rückkehr aus Schweden habe ich sie dann sogar bewusst eingesetzt. Rassismus im Spital habe ich nie erlebt, das ist mir nie passiert – Genderdiskriminierung beobachte ich allerdings öfter.

Ja, ich bin kürzlich Oberarzt geworden – aber ich will der und der in einer Hierarchie werden, diese Ambition hatte ich nie. Opfer für eine Karriere? Anstrengung, Konsequenz, Disziplin, es gehört viel dazu, aber Opfer? Das würde ich nicht unterschreiben – und natürlich war ich für meine zwei Kinder in Karenz! Dass es streckenweise sehr erschöpfend und sehr stressig ist für ein berufstätiges Paar mit kleinen Kindern, das wissen alle Menschen in solchen Lebenssituationen. Es gibt sehr gute Tage und Tage, die nicht so gut laufen, aber es ist ja auch wunderschön! Ich habe das Glück, einfach einen super Beruf zu haben. Dazu gehört auch, dass ich an der Sigmund-Freud-Uni unterrichte und mich für Nachwuchschirurgen engagiere, ich bin Vorstand der Young Surgeons Austria, eines Netzwerks, das sich um bessere Ausbildung und Weiterbildung bundesweit kümmert. Von den circa 400 Nachwuchschirurgen haben wir derzeit bundesweit 200 im Netzwerk. Dass da etwas weitergeht, ist mir ein großes Anliegen.

Nein, bei Black-Lives-Matter-Demos war ich nicht dabei. Das ist aber eine Zeitfrage, keine Haltungsfrage. So furchtbare Polizeigewalt gegen Menschen darf es nicht geben!" (Protokoll: Karin Bauer, 20.7.2020)