In Florenz, der Heimat der Medici und Peruzzi, existieren besonders weit zurückreichende Steuerdaten, die Forscher ausgewertet haben – mit interessantem Ergebnis: Die fünf reichsten Familien von heute waren auch 1427 schon an der Spitze der Gesellschaft. Wer vor 600 Jahren wohlhabend war, ist es mit ziemlicher Sicherheit immer noch. Das Gleiche gilt für ärmere Familien.

Die Forscher sprechen vom gordischen Knoten großer Vermögen und einer gläsernen Decke in unserer Gesellschaft, die nur selten durchbrochen wird. Das ergaben auch viele andere Studien, von Deutschland über Großbritannien bis Schweden, wo sich die Eliten aus dem 18. Jahrhundert großteils immer noch an der gesellschaftlichen Spitze befinden. Der sozioökonomische Aufstieg ist selbst über Generationen viel schwieriger als angenommen, mit Mobilitätsraten nahe dem vorindustriellen Zeitalter.

Leistungsgerechtigkeit durch Vermögenssteuern?
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Seit Jahrzehnten steigt die Vermögensungleichheit, und Erbschaften machen einen immer größeren Anteil aus. Die vielbeschworene Leistungsgesellschaft ist an der Spitze längst eine Privilegiengesellschaft, die an den Erbfeudalismus anknüpft. Vermögenssteuern schaden der Leistungsgerechtigkeit nicht, sie wären notwendig (gewesen), um diese sicherzustellen.

Ein Blick auf die Daten

Der Ökonom Thomas Piketty weist darauf hin, dass Vermögensdaten vor einem Jahrhundert präziser waren, da heutzutage rechtliche Konstrukte sowie Steueroasen für Intransparenz sorgen und eine umfassende Erhebung unerwünscht ist. Deshalb ist die öffentliche und wissenschaftliche Debatte auf fragwürdige Reichenlisten diverser Magazine, oft im Besitz der Reichen selbst, angewiesen.

Laut "Forbes" gehen über 60 Prozent der Milliardenvermögen im deutschsprachigen Raum auf Erbschaften zurück, Tendenz steigend. Eine großangelegte Studie der Duke University befasste sich mit der Herkunft von Vermögen über 30 Millionen Dollar. Von allen 53 untersuchten Ländern war der Anteil eigener Leistung am Vermögen in Österreich mit nur 18 Prozent am geringsten. Nicht Leistung oder Fleiß, sondern das Glück reicher Eltern ist entscheidend. Das bestätigen diverse Studien, wonach Erbschaften und Schenkungen einen deutlich wichtigeren Faktor für Vermögensungleichheit darstellen als Arbeitseinkommen oder Bildung. In Österreich glaubt nur ein Fünftel der Menschen, dass man mit harter Arbeit noch ein Vermögen aufbauen kann. Die Daten bestätigen diese Vermutung.

Dabei sind Erbschaften noch ungleicher verteilt als Vermögen. Im Jahr vor Abschaffung der Erbschaftssteuer (2008) sorgten nur vier Erbschaften für 25 Prozent des Steueraufkommens. In Deutschland, wo es noch eine Erbschaftssteuer und damit aktuellere Daten gibt, wurden zwischen 2011 und 2014 fast 30 Milliarden Euro an 90 Kinder unter 14 Jahren übertragen, im Schnitt über 320 Millionen – und das steuerfrei aufgrund von Ausnahmen bei Unternehmensübertragungen.

Leistung versus finanziellen Erfolg

Das Leistungsargument impliziert, dass finanzieller Erfolg auf eigene Leistung zurückzuführen ist. Doch ist es möglich, eine gesellschaftliche Leistung zu erbringen, die viele Millionen Mal größer ist als die der meisten anderen Menschen? Wäre es überhaupt möglich, diese Vermögen ohne staatlich finanzierte Bildung, Infrastruktur, Forschung, Subventionen, ein rechtliches Rahmenwerk und gemeinschaftliches Wissen aufzubauen? Sobald die Vermögen vererbt werden, muss man sich über diese Fragen ohnehin keine Gedanken mehr machen.

Gleichzeitig werden es die meisten trotz Leistung und Fleiß niemals schaffen, ein bedeutendes Vermögen aufzubauen. Haben die "unteren" 50 Prozent in Österreich, die relativ betrachtet fast nichts mehr besitzen, keine Leistung erbracht? Bedeutet die stetig wachsende Ungleichheit, dass wenige Menschen immer leistungsstärker und alle anderen immer unfähiger werden?

Tatsächlich haben sich Leistung und finanzieller Erfolg längst entkoppelt, vor allem an den Rändern der Verteilung. Die gläserne Decke ist mittlerweile Panzerglas.

"Monopoly" oder "Risiko"?

Unser Steuersystem gleicht einer auf den Kopf gestellten Leistungspyramide. Arbeitseinkommen wird hoch besteuert, leistungsloses Kapitaleinkommen (wie Dividenden) mit einem niedrigen Einheitssteuersatz begünstigt. Erbschaften werden praktisch gar nicht besteuert. Somit können die leistungslos geerbten Riesenvermögen leistungslos und steuerbegünstigt weiterwachsen, während Arbeitseinkommen hoch besteuert wird und viel langsamer wächst. Die Schere kann somit nur auseinandergehen. Vor allem für die Mittelschicht, zu deren Nachteil sich die unregulierte Vermögenskonzentration seit den 1980er-Jahren entwickelt, sind das keine guten Aussichten.

Selbst wenn man eine hohe Ungleichheit begrüßt, stellt sich die Frage, wie weit diese noch zunehmen soll. Denn ohne Maßnahmen wird eine immer kleinere Gruppe immer mehr besitzen, wie vor dem Ersten Weltkrieg oder bei "Monopoly". Bei "Monopoly" würde man eine neue Runde starten, sobald kein Besitzgleichgewicht mehr hergestellt werden kann. In der Realität bleibt das Spielbrett unverändert bis zur nächsten Runde liegen.

Thomas Piketty schlussfolgert, dass in Anbetracht des realen Wachstums der größten Vermögen in den letzten Jahrzehnten (sechs bis sieben Prozent jährlich) ein Spitzensteuersatz von mindestens fünf bis zehn Prozent auf die höchsten Vermögen mit einer progressiven Erbschaftssteuer kombiniert werden müsste, um eine nachhaltige Zirkulation von Vermögen, Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit sicherzustellen. Gleichzeitig sollte Arbeit steuerlich entlastet werden.

Vielleicht macht es aber auch Sinn, statt "Monopoly" eine Runde "Scotland Yard" zu spielen, damit es nicht wieder zu einer endlos anmutenden Runde des Brettspielklassikers "Risiko" kommt. (Mario Hübler, 23.7.2020)