Mehrere Polizisten hatten beteuert, dass es keinen polizeilichen Übergriff gegen den 28-Jährigen gegeben habe. (Symbolbild)

Foto: APA / Herbert P. Oczeret

Wien – Die Staatsanwaltschaft Wien hat im Zusammenhang mit einer polizeilichen Amtshandlung vom Jänner 2019 Ermittlungen gegen beteiligte Beamte aufgenommen. Wie Behördensprecherin Nina Bussek am Freitag auf APA-Anfrage mitteilte, läuft ein Verfahren wegen Körperverletzung, allenfalls zusätzlich wegen Amtsmissbrauchs. Acht Polizisten sind laut Landespolizeidirektion Wien vorläufig vom Dienst suspendiert.

Das Verfahren gegen die Polizei wäre nicht ins Rollen gekommen, wäre nicht plötzlich eine Videoaufzeichnung aufgetaucht. Darauf ist zu sehen, wie ein 28 Jahre alter Mann von Polizisten geschlagen wird. Der Betroffene – ein Tschetschene – leistet gegen die Amtshandlung keinen Widerstand und liefert offensichtlich keinen Grund, der die polizeiliche Gewaltausübung legitimieren würde. Das Video sei der Anklagebehörde "erst seit wenigen Tagen" bekannt, bemerkte Bussek.

28-Jähriger tauchte ab

Das nunmehr vorgelegte Beweismittel hatte eine diametrale Änderung der staatsanwaltschaftlichen Einschätzung in dieser Sache zur Folge. Der Tschetschene hatte nach dem Vorfall angegeben, er sei von der Polizei geschlagen worden, doch wurde ihm zunächst nicht geglaubt. Es stand Aussage gegen Aussage – seinen Angaben, die von keinem Zeugen gestützt wurden, standen die Beteuerungen zahlreicher Polizisten gegenüber, es hätte keinen polizeilichen Übergriff gegeben.

Gegen den 28-Jährigen wurde darauf ein Strafverfahren wegen Verleumdung in die Wege geleitet. Weil der Tschetschene offenbar weitere Schwierigkeiten befürchtete, tauchte er daraufhin sogar unter. Er konnte zu dem Vorwurf, er habe Polizeibeamte fälschlicherweise eines strafbaren Verhaltens bezichtigt, nicht vernommen werden.

Ermittlungen gegen unbekannt

Dagegen hatte das Verhalten der Polizisten für diese zunächst keine Konsequenzen. "Es gab keinen begründeten Anfangsverdacht, um gegen sie vorzugehen", meinte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber der APA. Nach dem Auftauchen des Videos reagierte die Anklagebehörde dann sehr rasch. In Richtung der Polizei "wurden unverzüglich Ermittlungen aufgenommen", betonte Bussek.

Formal laufen diese derzeit gegen unbekannte Täter. Es muss jetzt abgeklärt werden, wie viele der am Tatort befindlichen Beamten als unmittelbare Täter infrage kommen, wie viele die Gewalttätigkeit toleriert und nichts dagegen unternommen haben und ob Beamte anwesend waren, die nichts mitbekommen hatten. Der 28-jährige Tschetschene wird von der Staatsanwaltschaft dagegen nicht mehr verfolgt. Das gegen ihn gerichtete Verleumdungsverfahren wird eingestellt. "Aufgrund des Videos ist nicht mehr davon auszugehen, dass er wissentlich falsch gegen die Polizisten ausgesagt hat", stellte Bussek fest.

Amtshandlung nicht dokumentiert

Die Wiener Polizei hat das Video, auf dem Misshandlungen eines Tschetschenen durch Polizisten zu sehen sind, seit dem gestrigen Donnerstag. Die Beamten hätten die Amtshandlung im Jänner 2019 nicht dokumentiert, sagte der Wiener Vizepolizeipräsident Franz Eigner: "Das wirft Fragen auf." Schon damals gab es eine Anzeige durch ein Spital, die Polizisten wurden aber erst fast ein Jahr später befragt.

Der Vorfall hat sich freilich bereits im Jänner 2019 abgespielt. Der Tschetschene sei danach für längere Zeit nach Dubai geflogen, erst vor einem Monat zurückgekommen und habe sich nun mit dem Video an einen Polizisten gewandt, sagte Eigner am Freitag vor Journalisten.

Passiert sind die Gewalttätigkeiten laut Eigner im Zuge einer Schwerpunktkontrolle im Bereich des illegalen Glücksspiels. Zwei Personen hätten in dem Spiellokal in einem abgesonderten Raum gespielt, einer davon war der Tschetschene. Bei der Ausweiskontrolle sei es offenbar zu einer Auseinandersetzung gekommen, schließlich sei ein Streit entbrannt, weil die Beamten das Handy des Mannes nicht entsperren konnten, woraufhin es zu den Gewalthandlungen kam. Ein Verhalten, "das von uns in keiner Weise toleriert wird", betonte Eigner.

Der Betroffene begab sich laut Eigner nach dem Vorfall ins Krankenhaus, das auch Anzeige erstattete. Der Tschetschene habe ein Hämatom und Hautabschürfungen erlitten und klage außerdem bis heute über Schmerzen im Bauchbereich und beim Kiefer.

Befragung erst nach Monaten

Bis der Anzeige des Krankenhauses vom Jänner 2019 nachgegangen wurde, dauerte es jedenfalls ungewöhnlich lange: Erst im Dezember 2019, also fast ein Jahr später, wurden zwei Beamte zu dem Vorfall befragt. Sie gaben an, sich an keine Details erinnern zu können. Die Amtshandlung selbst sei nicht dokumentiert worden, erklärte Eigner. "Das wirft Fragen auf." Auch, warum der Weg der Anzeige so lang war, sei zu recherchieren, meinte Eigner.

Das Video, das die polizeiliche Gewalt dokumentiert, stammt aus Überwachungskameras aus dem Lokal. Es wurde nicht amtlich sichergestellt, sondern vom Tschetschenen beigebracht, wie der Vizepolizeipräsident einräumte. Da der Mann überzeugt gewesen sei, dass es aus dem Lokal ein Video geben müsse, habe der Tschetschene die Tage und Wochen nach der erlittenen Gewalt versucht, an das Material zu kommen und es schließlich per Whatsapp bekommen, erklärte Eigner. Nun, wieder in Österreich, habe er es der Polizei übergeben.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nannte die jüngsten Misshandlungsvorwürfen gegen acht Wiener Polizisten am Freitag am Rande eines Pressetermins "absolut inakzeptabel". Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, versicherte der Minister. (APA, 17.7.2020)