Testamente können rasch zu Konflikten führen. Manchmal sogar zu Gerichtsprozessen. So etwa im Juli 1491 in der von Venedig beherrschten dalmatinischen Küstenstadt Split: Als der Kanzlist der Stadt gerade dabei war, das Testament der kürzlich verstorbenen Marica de Augubio zu verlesen, erhob sich deren Sohn Antonio und begann es in seinem und im Namen seines Bruders anzufechten. Das vorliegende Testament spiegle nicht den tatsächlichen letzten Willen seiner Mutter wider, denn es sei unter rechtswidrigen Umständen abgefasst worden.

Als Marica von Alter und Krankheit gezeichnet bereits "komplett außer Verstand" (totalis extra mentem) gewesen sei, hätten der Priester Doimo Radunicich – Antonios "Hauptfeind" (inimico capital) – und der Kanzlist sie genötigt, dieses Testament aufzusetzen. Es sei nun nicht nur wegen Maricas schwachen Geistes ungültig, sondern auch aus sprachlichen Gründen, denn der Kanzlist habe die Sprache der Testierenden gar nicht verstanden: "Der Kanzlist ist Italiener und versteht die dalmatinische Sprache nicht, ja vielmehr kennt er sie überhaupt nicht, und diese Frau Marica war Dalmatinerin, und nicht nur verstand sie die italienische Sprache nicht, sondern sie kannte sie wahrlich gar nicht […]", heißt es in dem auf Latein und Italienisch verfassten Prozessakt, der in dem kroatischen Staatsarchiv in Zadar aufbewahrt wird.

Diese Aussage des um sein Erbe streitenden Antonio de Augubio führt direkt in das Herz einer Problematik, die in der Antike, dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit (und darüber hinaus) unzählige Orte betraf, besonders auf der Balkanhalbinsel: Wie gehen die Herrschenden mit den ihnen fremden Sprachen der Beherrschten um?

Split, von der Hafenausfahrt aus betrachtet. Rechts der Turm der Kathedrale des Hl. Domnius (kroat. Dujam oder Duje/ital. Doimo). Die Hafenpromenade wurde im 19. Jahrhundert von den Österreichern modernisiert.
Foto: Lena Kornprobst

Als Mehrsprachigkeit noch normal war

Handelt es sich hierbei überhaupt um eine "Problematik"? Bevor die Sprache in der Vorstellung einiger Denker des 18. und 19. Jahrhunderts zu einem Instrument nationalistischer Konstruktionen wurde, denen zufolge ein Nationalstaat eine einzige einheitliche Sprache haben sollte – was in der Praxis ohnehin nie der Fall war –, galt ein Zustand der Mehrsprachigkeit als vollkommen normal, besonders im östlichen Mittelmeerraum. Die heute kroatische Ostadriaküste, deren slawische Sprache vielen Urlaubern den Namen ihres Reiseziels zum Zungenbrecher macht (Krk! Zastražišće!), blickt auf ein romanisches Erbe zurück, das die Städte lange vor der Machtübernahme der Venezianer prägte, die mit Unterbrechungen bereits im Mittelalter und ab 1409 vielerorts durchgehend bis zum Ende der Republik 1797 herrschten.

Trotz der ab dem 10. Jahrhundert einsetzenden Slawisierung der Küstenstädte ließen die stets engen Kontakte über die Adria hinweg Dalmatien Teil eines romanisch-italienischen Kulturraums sein. Dies schlug sich einerseits in der Entwicklung der dalmatinischen Siedlungen als Städte im rechtlichen Sinne nieder, bei der sie dem italienischen Modell der Kommunenbildung auf der Grundlage von schriftlichen Verfassungen, den Stadtstatuten, folgten.

Andererseits wirkte es sich eben auf die sprachlichen Verhältnisse aus, denn das Italienische, oder genauer: der venezianische Dialekt des Italienischen wurde besonders aufgrund der starken wirtschaftlichen Stellung Venedigs im Adria-Raum zur verbreiteten Umgangs- und Verkehrssprache, zur Lingua franca. In Venedig wie in Dalmatien wurde dieser Dialekt, der im Übrigen bis heute gesprochen wird (in Venedig sieht man Straßenschilder wie "Calle San Zulian", Standarditalienisch "Giuliano"), aber auch zur Schriftsprache, die neben dem Lateinischen in der Verwaltung zum Einsatz kam.

Der Turm der Kathedrale des Hl. Domnius (kroat. Dujam oder Duje/ital. Doimo) in Split, die um das Mausoleum des römischen Kaisers Diokletian gebaut wurde.
Foto: Lena Kornprobst

Gesprochenes und Geschriebenes gehen auseinander

Anders verhielt es sich mit dem in Dalmatien gesprochenen Slawischen – präziser ausgedrückt, dem "westlichen Südslawisch", einem künstlichen Deckbegriff für die unzähligen Dialekte der heutigen kroatischen, montenegrinischen, bosnischen und serbischen Territorien – das von den Venezianern bald als "Illyrisch", bald als "Dalmatinisch", bald als "S(k)lavonisch", bald als "Kro(v)atisch" bezeichnet wurde.

Zwar war dieses Südslawische im Dalmatien des 15./16. Jahrhunderts eine hochentwickelte Schriftsprache, denkt man etwa an Intellektuelle und Humanisten wie Marko Marulić aus Split, der zu dieser Zeit ganze Epen auf Slawisch verfasste. Doch die Kanzlisten, die für die venezianische Verwaltung Notariatsinstrumente wie Testamente oder Kaufverträge sowie Prozessakten niederschrieben, durften aufgrund von Statutenbestimmungen keine einheimischen "Dalmatiner" sein, denn so sollte ihre Unparteilichkeit garantiert werden. Sie stammten daher aus Italien und konnten in der Regel kein Slawisch, weswegen in den Kanzleien nur auf Latein und Venezianisch geschrieben wurde. Und das, obwohl eine Vielzahl der Bewohner Splits bloß Slawisch sprach.

Überdies kamen viele slawischsprachige Einwohner des Umlands nach Split, um dort Rechtsgeschäfte notariell beglaubigt verschriftlichen zu lassen, etwa auch aus der Poljica, einem Venedig unterstehenden, halbautonomen ländlichen Gemeinwesen, das über eigene auf Slawisch verfasste Statuten verfügte und auch einen eigenen slawischschreibenden Kanzlisten hatte, von dem uns aber leider keine Dokumente erhalten geblieben sind.

Slawische Kanzleien gab es somit sehr wohl, auch etwa auf der in der Nordadria gelegenen und ebenfalls venezianischen Insel Krk, deren Notare neben lateinischen auch slawische Notariatsinstrumente in glagolitischer Schrift (älteste slawische Schrift) ausstellten. Ebenso in der südlichen, nicht venezianischen Stadt Dubrovnik, wo vor allem diplomatische Korrespondenzen mit den bosnischen und serbischen Machthabern beziehungsweise nach der Eroberung mit den Osmanen auf Slawisch (in kyrillischer Schrift) geführt wurden. Aus Dubrovnik sind sogar einzelne slawische Testamente erhalten, aber das Gros der erhaltenen Akten ist auch dort nach wie vor Latein oder Venezianisch.

Split und Umland von der Festung Klis aus betrachtet, die circa zehn Kilometer nordöstlich von Split liegt und 1538 nach langen Kämpfen von den Osmanen erobert wurde.
Foto: Lena Kornprobst

Übersetzen, aber für wen genau?

Im venezianischen Dalmatien aber wurde die Verwaltung trotz der Mehrsprachigkeit nicht auf Südslawisch geführt. Der naheliegendste Weg, um die Kommunikation mit den rein slawischsprachigen Untertanen dennoch zu ermöglichen, war der Einsatz von Übersetzern. Das Amt des offiziellen, von der Kommune bezahlten Übersetzers wurde in Split 1472 eingeführt. Neben Personen aus dem ländlichen Umland sollte der Übersetzer besonders Frauen und Ärmeren dienen.

Die Sprachkenntnisse der Männer und Frauen Splits schilderte der venezianische Gesandte Giovanni Battista Giustiniano 1553 wie folgt: "Es ist wohl wahr, dass alle Bürger die Lingua franca [= Venezianisch] sprechen, und einige kleiden sich nach italienischer Sitte; aber die Frauen sprechen keine [andere] als ihre Muttersprache [= Slawisch], wenngleich sich einige der Adeligen nach italienischer Sitte kleiden."

Der eingangs geschilderte Prozess um das Testament von Marica de Augubio, in dem die Söhne der Verstorbenen die Anfechtung ihres Testaments mit ihren fehlenden Kenntnissen des Italienischen oder Lateinischen begründeten, bestätigt diese Aussage. Zwar war Marica mit einem angesehenen und wohlhabenden Bürger, der aus der italienischen Stadt Gubbio (daher der Nachname) stammte, verheiratet. Dennoch sprach sie nur ihre Muttersprache Slawisch, was auch von mehreren Zeugen des Prozesses bestätigt wird.

Dies war nicht ungewöhnlich: Da Frauen vom wirtschaftlichen und öffentlichen Leben größtenteils ausgeschlossen und auf die häusliche, familiäre Sphäre beschränkt waren, hatten sie weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, das Venezianische oder Lateinische zu erlernen und zu gebrauchen. Selbst adelige Frauen sprachen oft nur Slawisch, wie in den Quellen zahlreiche Verweise darauf, dass einer Adeligen der Inhalt des betreffenden Rechtsgeschäftes übersetzt und erklärt wurde, zeigen.

Sprachkenntnisse waren aber nicht nur eine Frage des Geschlechts. Im Jahr 1523 reichte Simone, der Bruder unseres Antonio de Augubio, als Volksvertreter eine Beschwerde über den damaligen Übersetzer bei den Behörden Splits ein. Dieser missbrauche sein Amt, da er eine unrechtmäßige Gebühr für seine Dienste einforderte. Dies sei "gegen jede ehrliche Gerechtigkeit, gegen den Wunsch unserer Signoria", denn diese – also Venedig – habe das Amt des Übersetzers "zum Wohle dieses Volkes, besonders der elenden Menschen" eingeführt.

In seinem Ansuchen wiederholt Simone mehrmals, dass der Übersetzer hauptsächlich den armen Leuten dienen sollte, wobei er betont, dass es der Wunsch der venezianischen Signoria gewesen sei, diesen armen Leuten zu helfen.

Das Eingangstor zum Palast der bürgerlichen Familie Augubio in der Altstadt von Split zeugt von ihrem Wohlstand. Heute findet sich dort ein Hotel.
Foto: Lena Kornprobst

Sprachkenntnisse und sozialer Status

Die beschriebenen Fälle zeigen, dass neben Frauen und Personen, die aus dem ländlichen Umland von Split kamen, besonders die Ärmeren häufig einsprachige Slawen waren. Der soziale Status bestimmte demnach zu einem gewissen Grad die Sprachkenntnisse, jedoch kann nicht von einer klaren sozialen Trennung zwischen adeligen Sprechern des Romanischen und nichtadeligen Sprechern des Südslawischen gesprochen werden. Die Übergänge waren fließend, wie einsprachige adelige Frauen zeigen, und Ausnahmen von der Regel möglich.

Sprache und ethnische Herkunft – die sich in einer über Jahrhunderte verschiedenen Einflüssen ausgesetzten Stadt wie Split ohnehin nicht genau definieren ließ – waren somit weniger wichtig bei jemandes Platzierung in der sozialen Hierarchie als die geografische Herkunft und rechtliche Zugehörigkeit zur Kommune von Split. Ob jemand aus Split kam oder ein Fremder war, sowie besonders, ob jemand das Bürgerrecht von Split besaß oder sogar im rechtlichen Sinne ein Adeliger der Stadt war – diese Fragen wurden in Prozessen vor Gericht diskutiert und spiegeln sich in der Gesetzgebung der Stadtstatuten wider, und nicht, über welche Sprachkenntnisse jemand verfügte oder was sein Name über seine ethnische Herkunft verraten könnte.

Für Venedig spielte überdies Ideologie keine Rolle bei dem Aufeinandertreffen mit dem Südslawischen. Daher wandte es nie eine gezielte Sprachpolitik gegen das Südslawische an und zwang die venezianische Sprache nie einer seiner Besitzungen auf. Als pragmatische Händler und Herrscher betrachteten die Venezianer die mehrsprachige Wirklichkeit, auf die sie in Dalmatien trafen und die für sie alles andere als überraschend war, eher als ein praktisches Problem, das mithilfe von Übersetzern gelöst werden musste, um Kommunikation und damit Handel und Herrschaft zu ermöglichen. Dass es aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse trotzdem zu Konflikten kommen konnte, zeigt die Testamentsanfechtung. Denn nicht die Mehrsprachigkeit war das Problem, sondern die Einsprachigkeit – damals wie heute.

Übrigens: Die Anfechtung von Antonio und Simone de Augubio wurde schließlich zurückgewiesen. Die anderen Begünstigten konnten das Gericht davon überzeugen, dass es den Brüdern nur darum ging, zu verhindern, dass ein eigentlich ihnen versprochenes Grundstück an das Dominikanerkloster der Stadt gehe. Da halfen ihnen auch ihre Sprachkenntnisse nicht mehr weiter. (Lena Kornprobst, 24.7.2020)