In der Bundeshauptstadt, die besonders stark unter dem Ausbleiben internationaler Gäste leidet, hat fast jedes zweite Hotel immer noch zu.

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Es ist Juli, Hochsaison, die Reisekarawane hat sich längst in Bewegung gesetzt. Im Sommer 2020 heißt Urlaub meist Anreise mit dem eigenen Auto, ein bisschen Zug, wenig Bus, kaum Flüge.

Über 50 Prozent der Österreicher urlauben laut Umfrage heuer in Österreich, obwohl das Wetter zumindest bisher nicht so mitspielt. So gesehen dürfte der Aufruf der Bundesregierung gefruchtet haben, Infektionsrisiken im Ausland zu meiden und die heimische Hotellerie durch Urlaub im Inland zu unterstützen.

Die Medaille hat allerdings auch eine Kehrseite: Weil in Österreichs Nachbarschaft die Urlauber ebenfalls Angst vor Infektionen haben, kommen weniger Gäste als gewohnt über die Grenze. Das zeigen Befragungen, und das spiegelt sich auch in den Buchungszahlen.

"Im heurigen Sommer wird es ein kräftiges Minus geben, alles andere wäre überraschend", heißt es dazu in der Wirtschaftskammer. Die Frage sei nur, wie hoch zweistellig das Minus ausfalle.

Triste Lage in den Städten

Während die Ferienhotellerie nach dem erzwungenen Shutdown Mitte März teils schon zu Pfingsten, spätestens aber mit Beginn der Schulferien Anfang Juli wieder aufgesperrt hat, sieht es in den Städten noch immer sehr trist aus.

In der Bundeshauptstadt, die besonders stark unter dem Ausbleiben internationaler Gäste leidet, hat fast jedes zweite Hotel immer noch zu; und bei jenen Häusern, die wieder in Betrieb gegangen sind, sind viele der Beschäftigten nach wie vor in Kurzarbeit. Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, geht davon aus, dass etwa drei Prozent der Hotels in Wien für immer geschlossen bleiben.

Von einer Pleitewelle, die nach Auslaufen der Hilfen hereinbrechen könnte, will zwar niemand offen sprechen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die heimische Hotellerie eine große Schwäche hat: Eigenkapitalmangel.

"Wir bekommen jetzt jede Woche mindestens ein Hotel zur Finanzierung angefragt", berichtet Wolfgang Deutschmann von seinen Erfahrungen. Der 28-jährige Steirer ist Gründer der Rockets Holding und betreibt Eigenangaben zufolge die größte Crowdfunding-Plattform in Österreich.

Negatives Eigenkapital

Warum aber klopfen Hoteliers um Finanzierung bei ihm an, wenn es doch staatlicherseits Hilfspakete sonder Zahl gibt? "Weil viele durch die staatlichen Programme fallen. Insbesondere die Überbrückungskredite sind so gestaltet, dass man ein positives Eigenkapital haben muss", sagt Deutschmann dem STANDARD. "In der Tourismusbranche gibt es aber einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Betrieben, die ein negatives Eigenkapital haben. Die fallen um eine Finanzierung um."

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat sich an Szenarien versucht, die zeigen sollen, wie Österreichs Nächtigungskurve eingedenk der Corona-Restriktionen verlaufen könnte. Im besten Fall sehen die Wirtschaftsforscher für das Gesamtjahr 2020 einen Nächtigungsrückgang von knapp 23 Prozent, der sich aus minus 16,4 Prozent bei Inlandsgästen und minus 25,2 Prozent bei Auslandsgästen zusammensetzt.

Das schlimmste Szenario, das eine zweite Infektionswelle im Herbst berücksichtigt, sieht die Nächtigungszahl gegenüber 2019 um mehr als 31 Prozent einbrechen – bei Inländern weniger (minus 25,2 Prozent), bei ausländischen Gästen mehr (minus 33,3 Prozent).

Umfragen der Wirtschaftskammer Österreich zufolge, in der per Gesetz alle Betriebe, auch jene aus der Tourismusbranche, Mitglieder sind, zeigen ein durchwachsenes Bild. Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen, dass Regionen mit Seen wie das Salzkammergut oder Kärnten sehr gut gebucht sind und dass sich Städte beziehungsweise Bergregionen (Tirol) generell schwerer tun. Vier- und Fünfsternehotels sind tendenziell besser nachgefragt als Hotels niedrigerer Kategorien. Aber nirgends eine Regel ohne Ausnahme.

Vermieter von Ferienwohnungen zählen heuer österreichweit zu den Gewinnern, ebenso Betreiber von Campingplätzen. "Die Plätze sind fast alle schon ausgebucht für den Sommer", sagt Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer des Fachverbands Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer.

"Araberlücke" kompensiert

Zweckoptimismus gepaart mit der Freude über eine regional überraschend gute Buchungslage – so kann man etwa die Stimmung unter Salzburgs Touristikern zusammenfassen. Nach den jüngsten Daten der Salzburger Land Tourismusgesellschaft (SLTG) haben 94,5 Prozent aller Beherbergungsbetriebe geöffnet – die Auslastung beträgt übers gesamte Bundesland gerechnet 50 Prozent; für August sind 54 Prozent prognostiziert.

Wobei die regionalen Unterschiede groß sind. Während die Stadt Salzburg weit unter der 50-Prozent-Marke liegt, sind einige Regionen an den Seen gut gebucht. "In der Stadt fehlen die Tagungen und Kongresse", sagt ein Sprecher der SLTG, erst mit den Salzburger Festspielen im August werde sich der Stadttourismus etwas erholen.

Zu den großen Überraschungen gehört die Region Zell am See / Kaprun. Hier kamen 2019 immerhin 26 Prozent der Gäste aus dem arabischen Raum. Salzburger Lokalmedien warnten schon vor den ökonomischen Folgen der "Araberlücke". Die dürften sich in Grenzen halten, Zell am See / Kaprun meldet aktuell eine Auslastung von 65 Prozent. Ein Gästeplus aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, aber auch aus Tschechien und Ungarn habe den Totalausfall der arabischen Gäste kompensieren können.

"Wir werden heuer mit einem ‚hellblauen Auge‘ davonkommen", sagt Barbara Tschöscher vom Kärntner Tourismus. Es wird wohl auch ein lachendes Auge sein. An den Seen könne durchaus von einem Boom gesprochen werden.

Zahlreiche "geliehene Gäste", die eigentlich in der Türkei, Kroatien oder Italien urlauben wollten, hätten heuer Kärnten vorgezogen. "Ich hoffe, es werden daraus Stammgäste", sagt Tschöscher. Die "neuen" Touristen – in erster Linie aus Österreich – zieht es vermehrt auch in die Kärntner Berge. Wandern und Biken sind angesagt, nicht nur in Kärnten.

Neue Inlandsgäste

Wie Kärnten registriert auch die Steiermark zunehmend neue, österreichische Touristen. Hier ist der Andrang in die steirische Bergwelt "sehr beachtlich", sagt Ute Hödl von Steiermark-Tourismus. Selbst die Betriebe an der Südsteirischen Weinstraße sind bis zum Herbst bestens gebucht.

Das touristische Topthema auch in der Steiermark: "Hinaus in die Natur", Radln, Mountainbiken und Wandern. "Viele unserer Gäste flüchten zu uns aus der Hitze der Stadt", sagt Pamela Binder, Tourismuschefin Ausseerland-Salzkammergut. Außergewöhnlich gut gebucht sind Ferienhäuser, Hütten und Urlaub auf dem Bauernhof. Die meisten Urlaubsanfragen kommen aus Österreich, gefolgt von Deutschland, Tschechien, den Niederlanden, Ungarn.

Auch in Tirol ist nicht alles duster. Betriebe wie der Stanglwirt in Going sind voll, voller, am vollsten. Und selbst in Ischgl sieht man optimistisch in die Zukunft. Zweckoptimismus? Vielleicht. (Günther Strobl, Thomas Neuhold, Walter Müller, 19.7.2020)