Die burgenländische Commerzialbank war über Jahrzehnte ein verlässlicher Partner für die Gemeinden. Nun müssen manche geplanten Investitionen wohl auf St. Nimmerlein verschoben werden.

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Im Bezirk Mattersburg ist seit Mittwoch Feuer am Dach. Die Bürgermeister und die Bürgermeisterinnen – in diesem Bezirk gibt es traditionell mehr Frauen in der Kommunalpolitik als sonst wo – sind im Dauereinsatz. Einerseits gilt es, die verunsicherten Sparer und Kontoinhaber bei der regionalen Commerzialbank Mattersburg zu beraten, aber auch zu beruhigen, soweit es geht. Andererseits aber auch, den eigenen Laden am Laufen zu halten. Denn zumindest in den neun Standortgemeinden war die Commerzialbank die Hausbank.

Erst im Lauf der Woche ist den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auch klar geworden, welche Tragweite das Einlagensicherungsgesetz hat: Gebietskörperschaften sind nämlich explizit ausgenommen. Gemeinden schauen also vom ersten Cent an durch die Finger.

Schmalhans Küchenmeister

Das kann durchaus sehr dramatische Konsequenzen haben. Der SP-Bürgermeister Erhard Aminger aus Loipersbach etwa hat die Rücklagen der Gemeinde und die Vorsorgen für geplante Projekte bei der Hausbank liegen. Der Verlust könnte "siebenstellig" sein. Man rechnet mit anderthalb Millionen.

Auch im benachbarten Schattendorf wird bei SP-Bürgermeister Hans Lotter bald Schmalhans Küchenmeister sein. Die geplante Sanierung einer Straße und Investitionen ins Freibad werden sich nicht ausgehen. Er will, bevor er das nicht mit seinen Gemeinderäten besprochen hat, nicht sagen, um welche Summer es geht, aber: "Es ist eine Menge Geld."

Das rote Hirm – Wohnortgemeinde des Bankchefs Martin Pucher – ist mit allen ihren Girokonten betroffen. Gemeinsam mit der Bank hat man auch eine Aufschließungs- und Errichtungsgesellschaft für neue Bauplätze eingerichtet. "Da hält die Gemeinde 51, die Bank 49 Prozent", sagt Inge Posch-Gruska.

Dasselbe Modell hatte man auch in Rasporak/Draßburg gewählt. SP-Bürgermeister Christoph Haider hofft, aus der Partnerschaft halbwegs unbeschadet herauszukommen. 5,5 Hektar sollten im Schlüssel 51:49 als Bauplätze aufgeschlossen werden. "Die Genehmigungsverfahren haben aber so lange gedauert, dass eh noch keiner zu bauen angefangen hat."

In Windeseile zu anderen Banken

Haider rechnet mit einem unmittelbaren Verlust für die Gemeinde von etwa 40.000 bis 50.000 Euro, "so viel liegt auf den Girokonten".

Die mussten natürlich in Windeseile bei anderen Banken eröffnet werden. Demnächst kommen vom Land die Bedarfszuweisungen. Und die brauche man allerdings dringendst.

Ingrid Salamon, die Bürgermeisterin von Mattersburg, erzählt, dass nicht nur die Stadt Mattersburg, sondern alle Gemeinden klamm geworden sind unter Corona. "Bei Kurzarbeit gibt es keine Kommunalsteuer, die Ertragsanteile werden weniger, und jetzt das auch noch." Mit einem hohen direkten Finanzschaden rechnet Salamon nicht, "auf unseren Konten haben wir eher ein Minus". Man baut gerade wie wild.

Baulücken klaffen

Indirekt kann die Bankenpleite freilich ins Gigantische wachen. Mitten in Mattersburg klafft eine riesige Baulücke, da hätte um 30 Millionen ein neues Stadtzentrum errichtet werden sollen. Zwar "ist von uns kein Geld noch geflossen", aber der Grund kommt in die Masse. Das Stadion des Bundesligisten SV Mattersburg und die dazugehörige Fußballakademie könnten, wenn schon nicht verwaisen, so doch verdorren. Und von den betroffenen Unternehmen – die ja die Kommunalsteuer zahlen – wolle sie da noch gar nicht reden.

Alle rufen deshalb auch um rasche Hilfe vom Land. Die Gemeindeabteilung erhebt gerade die Höhe der Einlagen und Kredite der Gemeinden. Landesrätin Astrid Eisenkopf verspricht: "Wir werden keine der betroffenen Gemeinden im Stich lassen."

Auch in Niederösterreich

Zumindest eine wird sie wohl im Stich lassen müssen. Das niederösterreichische Schwarzenbach hat seine gesamten Rücklagen der Mattersburger Bank anvertraut. SP-Bürgermeister Bernd Rehberger spricht von "einigen 100.000", die vorgesehen waren für "ein neues Feuerwehrauto und Investitionen ins Keltendorf", Schwarzenbachs Touristenattraktion. Rehberger hat sich schon nach St. Pölten gewandt.

Schwarzenbachs Bürgermeister Bernd Rehberger erklärt die Konsequenzen der entstandenen Finanzlücken in einem Video.
NÖN

Dass Kommunen ums Geld umfallen, hat weitreichende Folgen. Gemeinden sind ja die größten regionalen Investoren im Land.

Hausdurchsuchungen am Freitag

Unterddessen gab es am Freitag Hausdurchsuchungen am sechs Standorten durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). U-Haften gebe es in der Causa keine, sagte ein Sprecher zur APA. Danach ist Ex-Bankchef Pucher einvernommen worden. Er ist auf freiem Fuß, sagte dessen Anwalt Norbert Wess. Er rechnet damit, dass Pucher schon bald an Ort und Stelle bei der Bank und in Anwesenheit des Regierungskommissärs weiterbefragt werden wird.

Demnach wolle der Ex-Banker und -Präsident des Fußball-Bundesligisten SV Mattersburg "die volle Verantwortung übernehmen und sich nach Kräften bemühen, den Schaden nunmehr so gering wie möglich zu halten, indem er keine anderen Personen für sein eigenes Fehlverhalten verantwortlich macht und weiterhin an einer allumfassenden Aufarbeitung und Aufklärung der Geschehnisse mitwirken kann und wird."

Für Pucher sei es "unmöglich in Worte zu fassen, wie sehr er die Vorkommnisse bedauert. Die Enttäuschung und Fassungslosigkeit über ihn selbst ist es, die es ihm unmöglich macht, dafür eine Erklärung zu finden. Jedes Wort der Entschuldigung oder des Ausdruckes des tiefen Bedauerns muss den Betroffenen – aus verständlichen Gründen – wie ein blanker Hohn vorkommen." (Wolfgram Weisgram, APA, 18.7.2020)