Die deutsche Bundeswehr steht in der Kritik wegen angeblicher rechtsextremer Netzwerke. Verschwundene Munition sorgt deshalb für besondere Beunruhigung bei der Opposition.

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Berlin – Bei der deutschen Bundeswehr werden seit 2010 mindestens 60.000 Schuss Munition vermisst. Dies teilte die die deutsche Regierung auf parlamentarische Anfragen verschiedener Fraktionen mit, wie die "Welt" am Freitag berichtete. Das Verteidigungsministerium sagte eine "intensive" Prüfung zu.

Möglicherweise handle es sich nur um "Schlamperei", sagte ein Ministeriumssprecher. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Munition illegal "abgezweigt" worden sei.

In den vertraulichen Antworten der Regierung an die Fraktionen hieß es, von 96.000 abhanden gekommenen Patronen unterschiedlichen Kalibers hätten nur rund 36.000 sichergestellt werden können.

Auch wenn die Zahlen zu verschwundenen Munition aus Bundeswehr-Beständen variieren, sie sind immer hoch.

Nicht in diesen Zahlen enthalten sind die 48.000 Schuss Munition, deren Verbleib beim Kommando Spezialkräfte (KSK) nicht geklärt sind. Dort waren auch 62 Kilogramm Sprengstoff abhanden gekommen. Wegen rechtsextremer Umtriebe in der Eliteeinheit hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kürzlich die Auflösung einer KSK-Kompanie und eine Reform der Ausbildung angekündigt.

Opposition besorgt

Deutsche Oppositionspolitiker zeigten sich alarmiert über das Verschwinden von Munition. Der Linken-Verteidigungsexperte Tobias Pflüger zweifelte die Erklärung des Ministeriums an. "Es kann sich nicht um Einzelaktionen handeln", erklärte er. "Wenn so umfangreich Waffen 'abgezweigt' werden, muss es Helfer oder Mitwisser innerhalb der Bundeswehr geben."

Auch der deutsche Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner forderte Aufklärung. "An sich dürfte dies gar nicht passieren, wenn sich alle an die Vorschriften zum Umgang mit Munition gehalten hätten", sagte er der "Bild". Der CDU-Wehrexperte Henning Otte sagte der Zeitung: "Wer bei der Bundeswehr war, weiß wie sorgfältig dort normalerweise mit Waffen und Munition umgegangen wird." Er forderte deshalb eine "vollständige Aufklärung".

Sprengstoff-Verluste noch ungeklärt

Gerade die Elitetruppe KSK sorgte in der Vergangenheit für negative Schlagzeilen: So wurde etwa bei einem ehemaligen KSK-Soldaten in Sachsen ein umfangreiches Waffenarsenal gefunden: zwei Kilogramm Sprengstoff, diverse Zünder, mehrere tausend Stück Gewehr- und Pistolenmunition, ein Maschinengewehr, Messer und eine Handgranate gefunden. Bei der Razzia fand die Polizei damals auch ein SS-Liederbuch und Aufkleber mit Nazi-Motiven. Der Mann befindet sich mittlerweile in Haft.

Im KSK fehlen 62 Kilogramm Sprengstoff. Dabei handelt es sich laut dem deutschen Verteidigungsministerium ausschließlich um PETN. Der gleiche Sprengstoff war bei dem Soldaten in Sachsen gefunden worden.

"Die Feststellung des Unterbestandes ist als vorläufiges Ergebnis zu betrachten, das sich aus einem Abgleich zwischen Ist-Bestand vor Ort und Soll-Bestand im logistischen Buchungssystem ergeben hat", stellte das Verteidigungsministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Innenpolitikerin Martina Renner fest. Eine Generalinventur soll klären, wohin der verschwundene Sprengstoff gelangt sei, heißt es in der Antwort des Ministeriums. (APA, red, 17.7.2020)