Alfred Neugebauer kam in den 80ern mit seinem Wiener Dialekt, seinem Schmäh und seinem Körper vor allem in Deutschland sehr gut an. Für tausend Mark legte er los. "Die Badehose und meine Musik hab ich ja immer mitgehabt."

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Neugebauer (57) vermarktet seit 20 Jahren den Footballverein Vienna Vikings.

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Sechzehn Jahr, unscheinbar, so stand er vor dem Spiegel. Denn der junge Alfred Neugebauer war, wie der etwas ältere Alfred Neugebauer (57) heute sagt, "extrem dünn". Bei einer Körpergröße von 1,83 Meter brachte er 60 Kilogramm auf die Waage. Soletti, Sparefroh, Strich in der Landschaft, Papierener, man will gar nicht wissen, was sie ihm alles hinterhergerufen haben. Auch in den späten 70er-Jahren waren Jugendliche keine Engel.

Kein Wunder, dass Alfi eines Tages in einem Kung-Fu-Center am Wiener Neubaugürtel aufgetaucht ist. Solche Studios schossen damals wie Schwammerln aus dem Boden, das war Verdienst oder Schuld der TV-Serie Kung Fu mit David Carradine in der Hauptrolle. Der junge Neugebauer fand freilich bald heraus, dass ihm Kampfsport zu viel Action war. Da entdeckte er im Center am Neubaugürtel einen Raum mit alten Kraftgeräten. "Super, bei den meisten Übungen kann man sich hinsetzen oder hinlegen", stellte er fest. Heute fügt er hinzu: "Das hat mir getaugt, ich war ja eher ein fauler Typ."

Restlos unbegeisterte Eltern

Nach kurzer Zeit hatte er quasi im Sitzen und Liegen zehn Kilogramm an Muskelmasse zugelegt. Sein Entschluss stand fest: "Ich werde Bodybuilder." Die Eltern waren restlos unbegeistert, der Vater betrieb einen Großhandel mit Sportartikeln und Souvenirs, die Mutter war kaufmännische Angestellte bei einem Modemagazin. Wie die meisten Eltern hatten sie die Hoffnung gehegt, dass aus dem Nachwuchs etwas werden würde, und dabei nicht unbedingt an Bodybuilding gedacht.

Doch Alfred war nicht aufzuhalten, nach vier Jahren Gymnasium (Albertgasse) und drei Jahren TGM schmiss er die Schule. Er lernte den zwölf Jahre älteren Christian Janatsch kennen, der Karate-Vizemeister war und 1979 als Mister Austria der Bodybuilder von Arnold Schwarzenegger den Siegespokal überreicht bekommen hatte. Janatsch wurde Alfreds Mentor. "Er hat mir viel beigebracht", sagt Neugebauer. "Durch ihn hab ich mir einige Lehrjahre erspart."

So stellten sich rasch die ersten Erfolge ein. Und wie Janatsch, mit dem er manchmal gemeinsam unterwegs war, machte sich auch Neugebauer in Deutschland einen Namen. "Damals haben sie in jeden Stall eine Bank hineingestellt und ‚Gym‘ über die Türe geschrieben."

Eine Uhr und ein Auto

Die Firma Nutrichem mit ihrer Sporternährungslinie Inkospor wurde sein Sponsor, Neugebauer war angestellt, verdiente nicht schlecht. Mit seinem ersten Gehalt kaufte er sich eine goldene Cartier-Uhr, sogar ein Firmenauto gab es. "Ich hätte einen Golf genommen, aber die haben mir einen Audi 90 Quattro gegeben."

Mit seinem Wiener Dialekt, seinem Schmäh und seinem Körper kam Neugebauer in Deutschland sehr gut an. Er reiste von einem Studio zum anderen, moderierte Veranstaltungen, hielt mehr oder weniger wissenschaftlich fundierte, jedenfalls stets unterhaltsame Vorträge über Training und Ernährung. Manchmal wurde der Österreicher vom Veranstalter gefragt, ob er nicht auch noch rasch posen wolle. "Tausend Mark hab ich verlangt, und wenn ich die gekriegt hab, hab ich losgelegt, die Badehose und meine Musik hab ich ja immer mitgehabt. Es war oft ein Theater."

Wettbewerbe der IFBB (International Federation of Bodybuilding and Fitness) gab es auch, Neugebauer trat bei den World Amateur Championships von 1982 bis 1992 auf, zwei vierte Plätze ragten heraus, zudem wurde er 1987 Vize-Europameister.

"Nicht nur Fruchtsäfte"

Nebenbei tat er sich im Kraftdreikampf hervor, 1985 errang er dabei eine WM- und eine EM-Silbermedaille. Bei der WM war er ursprünglich Vierter gewesen, zwei vor ihm wurden positiv getestet. "Und plötzlich war ich Vize-Weltmeister." Auch Alfred Neugebauer hat "nicht nur mit Fruchtsäften gearbeitet". Er spricht aber von "homöopathischen Dosen" im Vergleich dazu, was sich Kraftsportler aktuell zuführen. Er wurde stets medizinisch betreut, seine Werte schlugen nie aus der Norm. "Dazu kommt, dass ich eigentlich ein Hypochonder bin."

Ein lädierter Latissimus brachte ihm einen Aufschub beim Bundesheer, das später angesichts seiner Bandscheiben oder dessen, was von ihnen übrig war, von einer Einberufung überhaupt absah. Ab und zu zwickt es im Kreuz oder im Genick, dank seiner Kraft und vielleicht auch mit Glück blieb Neugebauer von gröberen Eingriffen verschont.

Er ist geschieden, seit mehr als drei Jahren mit einer Perserin liiert, die in Wien in der Kosmetikbranche tätig ist, und kinderlos. "Ich hatte immer die Angst, ich krieg so einen Buben, wie ich einer war. Einen schwierigen." Wobei es auch Schwierige zu etwas bringen können, siehe Neugebauer. Der war ab 1987 am Top Gym im 19. Bezirk beteiligt. Als die Vienna Vikings dort Rabatt erbaten, dockte Alfred im American Football an. 1995 fand die EM in Österreich statt, und Neugebauer fand sich dabei wieder, wie er Sponsoren aufstellte und Pressearbeit erledigte. "Ich hab flott gelernt, einen Computer aufzudrehen, und ich hab in kurzer Zeit viel Geld aufgetrieben."

Legendäre Super-Bowl-Partys

Das beeindruckte Karl Wurm, Präsident der Vienna Vikings und Inhaber einer Werbeagentur. Und so begann sich Neugebauer 1996 um die Vikings zu kümmern. Das Kümmern führte dazu, dass die Vikings nicht mehr vor ein paar Dutzend Eltern auf der Schmelz spielten, sondern die Hohe Warte füllten. Das Kümmern führte zu legendären Super-Bowl-Partys im Hotel Marriott. Das Kümmern trug zu 13 Meistertiteln bei und brachte den Vikings einen Hauptsponsor nach dem anderen (Chrysler, Dodge, Raiffeisen, Dacia). Mit Dacia wurde zuletzt um drei Jahre verlängert.

Das Coronavirus setzt dem Footballsport, der kontaktlos unmöglich ist, ordentlich zu. Immerhin hat Neugebauer ausreichend Zeit, auf seinen Körper zu schauen. Das tut er im Fitnessstudio und regelmäßig auch beim Golf, das seit einigen Jahren eine Passion ist. Sie geht so weit, dass er beim österreichischen Magazin Simply Golf im Verkauf tätig ist. Er checkt, er schupft, er packt an, er hat für alle ein offenes Ohr und ein Lächeln. Wahrscheinlich wird bald auch im Golfsport kein Weg mehr an Alfred Neugebauer vorbeiführen. Unscheinbar, das war einmal. (Fritz Neumann, 19.7.2020)