Erhaben.

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Das "Champions Dinner" war dem Anlass nicht angemessen, aber die Burger samt Pommes, die auf Styroportellern gereicht wurden, taten der Freude des "Weißen Balletts" keinen Abbruch. Donnerstagnacht feierte Real Madrid den 34. Meistertitel, errungen am vorletzten Spieltag durch ein 2:1 daheim gegen Villarreal. Dass sich der gescheiterte Titelverteidiger FC Barcelona zeitgleich daheim mit 1:2 gegen Osasuna blamiert hatte, war eine süße Draufgabe für die Madrilenen. Am Endresultat hätte aber auch ein Sieg Barças nichts geändert. Real bestieg ganz aus eigener Kraft nach zwei Vizemeistersaisonen den nationalen Thron. Das Hausblatt Marca nannte den Triumph "unvergesslich". Das war auch den pandemischen Umständen im leeren, 6000 Zuseher fassenden Alfredo-di-Stefano-Stadion der Reserve geschuldet.

Im Zentrum der Feierlichkeiten stand Zinédine Zidane, den die Spieler in die Luft warfen. Der Franzose sei ein "Geschenk des Himmels", sagte Präsident Florentino Perez. "Er hat in jedem 19. Spiel eine Trophäe gewonnen." Tatsächlich saß Zidane erst zum 209. Mal als Chef auf der Trainerbank, gewonnen aber hat er in Alleinverantwortung nun bereits seinen elften Titel. Darunter sind drei Champions-League-Siege en suite, allerdings erst zwei Meisterschaften. Als Spieler war er mit Real einmal Meister.

Süßer Titel

Zidane war denn auch "glücklicher" über den erst dritten Meistertitel von Real seit 2012 als nach den Triumphen in der Königsklasse. "Diese Meisterschaft hat einen besonders süßen Geschmack. Wir haben dafür sehr viel geopfert", sagte der 48-Jährige.

Pflichtschuldige Anerkennung kam aus Barcelona. Real, sagte Lionel Messi, habe den Erfolg "verdient", der Argentinier schränkte aber ein: "Wir haben ihnen auch sehr geholfen." Tatsächlich: Während die Königlichen alle bisherigen zehn Spiele nach der Corona-Unterbrechung gewannen, leistete sich Barça drei Unentschieden und eben am Donnerstagabend die Pleite gegen den Mittelständler aus Pamplona. Die Katalanen verspielten dadurch die Meisterschaft und gaben Marca die Gelegenheit, Reals Lauf zur "schwierigsten Aufholjagd einer legendären Mannschaft" zu verklären. AS kommentierte da schon etwas realitätsnäher: "Barça tötet sich selbst."

Ganz Messis Meinung, der die Seinen nach dem Scheitern in der Liga vor einem frühen Aus in der Champions League warnte. "Wir müssen vieles ändern." Ob der 32-Jährige damit die Tür für einen Rauswurf von Trainer Quique Setien "geöffnet" hat, wie AS mutmaßte, ist Interpretationssache. Präsident Josep Bartomeu hatte zuletzt jedenfalls mehrfach versichert, dass Setien, der bis Sommer 2022 und Vertrag steht, "natürlich" bleiben werde.

Der Wendepunkt

Regelrecht einzementiert ist Zidane bei Real. "Ich hoffe, dass er noch lange bei uns bleiben wird", sagte Präsident Perez. "Die Leute können ihn kritisieren, so viel und so lange sie wollen, solange er Titel gewinnt." Tatsächlich war Zizou noch Ende Februar mit heftigem Gegenwind konfrontiert gewesen. Real lag damals vor dem Heim-Clásico gegen Barcelona nach einem Remis und einer Niederlage zwei Zähler hinter dem Erzrivalen.

Innerhalb der Mannschaft wurden Zwistigkeiten geortet, weil der Deutsche Toni Kroos das 1:2 im Hinspiel des Achtelfinales zur Champions League gegen Manchester City auf der Ersatzbank miterlitten hatte. Marca schrieb von Zidanes mangelnder Flexibilität. Der Franzose konterte mit taktischen Erfordernissen, bot Kroos gegen Barça auf und wurde nach dem 2:0 im Bernabeu wieder gefeiert. "Ich weiß nicht, ob Zidane geschätzt wird, aber wenn jemand einen Arsch in der Hose hat, dann ist es Zidane", sagte Sergio Ramos.

Der Kapitän ersparte seinem Trainer gerade im Endspurt der Meisterschaft Ungemach. Die engen Spiele gegen Getafe und Bilbao hat der 34-Jährige mit seinen Toren entschieden. Die bisher zehn Treffer in seiner 17. Ligasaison sind ein Rekord für den Dauerbrenner, der auch beim Schupfen des Trainers beispielhaften Einsatz zeigte. (Sigi Lützow, 18.7.2020)