Der "Welt"-Journalist Deniz Yücel lebt mittlerweile in Deutschland.

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Istanbul – Die türkische Staatsanwaltschaft ficht nach Informationen der "Welt" das Urteil gegen Deniz Yücel an, um eine noch härtere Bestrafung des deutschen Journalisten zu erreichen. Ein Istanbuler Gericht hatte den "Welt"-Journalisten am Donnerstag wegen Terrorpropaganda für die kurdische Arbeiterpartei PKK zu zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen Haft verurteilt. Yücel lebt inzwischen in Deutschland und hatte nicht an der Verhandlung teilgenommen.

Der Journalist wurde unter anderem vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Dies wolle der Staatsanwalt nicht akzeptieren, schreibt die "Welt". Die Staatsanwaltschaft ziehe dafür zwei Beiträge in der Zeitung heran, in denen Yücel den Begriff "Völkermord an den Armeniern" gebraucht und einen Witz über das Verhältnis von Türken und Kurden zitiert habe.

Haft ohne Anklageschrift

Yücels Anwalt Veysel Ok erklärte, der Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft widerspreche "dem Recht und der Vernunft". "Niemand kann wegen desselben Zeitungsartikels aus zwei verschiedenen Gründen bestraft werden", sagte er der "Welt". Er vertraue darauf, dass höhere Gerichtsinstanzen den Versuch der Staatsanwaltschaft zurückweisen würden.

Yücel sprach von einem politischen Urteil. Das Gericht habe sich über das Verfassungsgericht hinweggesetzt, das 2019 seine einjährige Untersuchungshaft für rechtswidrig erklärt hatte. Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert gewesen. Nach langem politischem Tauziehen durfte er ausreisen. Gleichzeitig wurde Anklage wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung erhoben. Ihm wurden unter anderem Artikel aus seiner Zeit als Türkei-Korrespondent der "Welt" vorgeworfen, darunter ein Interview mit einem PKK-Kommandeur. (APA, dpa, 18.7.2020)