Das mit Graffiti beschmierte Gerichtsgebäude von Portland wird von der US-Regierung als Grund für den Einsatz von Bundesbeamten gegen Demonstrierende in Portland genannt.

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Washington – Die demokratische Gouverneurin des US-Bundesstaates Oregon, Kate Brown, hat Beamten des US-Heimatschutzministeriums und weiterer Bundesbehörden massiven Machtmissbrauch vorgeworfen, und sie aufgefordert ihren Bundesstaat zu verlassen. Hintergrund ist unter anderem eine neue Behördentaktik, bei der offenbar mehrfach Demonstrierende der "Black Lives Matter"-Bewegung ohne Erklärung auf der Straße festgenommen und mitgenommen worden seien. Die in Tarnanzügen auftretenden Beamten hatten sich dabei nicht identifiziert, und keinen Grund für die Festnahmen genannt, heißt es in Medienberichten. Die Demonstrierenden waren anschließend in ein ebenfalls nicht zuordenbares Auto gebracht worden, in dem weitere bewaffnete Personen in Tarnanzügen saßen.

Der öffentliche Rundfunk des Bundesstaates (OPB) hat Berichte von mindestens 13 Personen gesammelt, die zum Ziel dieser Behördentaktik wurden. Die Festnahmen hätten in manchen Fällen in der Nähe des Bundesgerichtsgebäudes stattgefunden, das von den Demonstrierenden seit Beginn der aktuellen "Black Lives Matter"-Protestwelle als Ort für Kundgebungen verwendet wird, und das dabei unter anderem mit Graffiti besprüht worden war. Weitere Festnahmen hätten aber auch an anderen Orten stattgefunden. Die Bundesbeamten waren von der Trump-Regierung Anfang Juli mit dem Argument nach Portland entsandt worden, sie müssten dort Sicherheit und Würde von Bundesgebäuden wiederherstellen. Zudem war es bei einigen der Proteste auch zu Gewalt gekommen.

Was genau den Mitgenommenen vorgeworfen wird oder wurde, ist nicht klar. Zwei Personen, die in dem Bericht zitiert werden, sagen, sie hätten zwar häufig, aber nicht an maßgeblicher Position an den Protesten teilgenommen und sich dabei friedlich verhalten. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme seien sie auf dem Heimweg gewesen. Sie vermuten, der Grund für ihre Festnahme sei gewesen, dass sie wegen ihrer schwarzen Kleidung als Demonstrierende erkennbar gewesen seien. Mark Pettibone, einer der beiden Zitierten, berichtet, er sei – noch immer wortlos – durch die Stadt gefahren und dann in ein Haus gebracht worden, das er später als Gerichtsgebäude erkannte. Dort seien ihm seine Rechte vorgetragen worden, man habe ihn durchsucht und fotografiert und für 90 Minuten festgehalten. Nachdem er sich geweigert habe, Fragen ohne Anwalt zu beantworten, habe man ihn gehen lassen. Wieso er mitgenommen worden sei, wisse er noch immer nicht. Einen Registereintrag hätten die Beamten nicht angefertigt.

"Sie sind Patrioten!"

Von einigen der Festnahmen gibt es Videos, die US-Medien offenbar vorliegen. Ein Video, das einen entsprechenden Vorfall zeigt, postete auch US-Senator Jeff Markley auf Twitter (siehe oben). Im diesem seien Beamte der Zoll- und Grenzbehörde CBP für die Festnahmen verantwortlich gewesen, schrieb deren Chef Mark Morgan auf Twitter. Die Festgenommene sei verdächtigt worden, Bundeseigentum zerstört und Beamte angegriffen zu haben. Belege lieferte Morgan nicht. Ebensowenig führte er aus, ob der Verdacht sich nach der Festnahme erhärtet habe. In einem Statement an den TV-Sender CNN sagte er aber pauschal über die Proteste "gewalttätige Anarchisten" hätten sich "seit Wochen in Portland versammelt und dort Veranstaltungen organisiert, bei denen Bundeseigentum zerstört und Beamte angegriffen worden sind. "Solche kriminellen Handlungen werden nicht toleriert". Die Beamten würden sich nicht ausweisen, da sie oder ihre Familien sonst zum Ziel werden könnten.

Das Heimatschutzministerium, das ebenso wie die anderen Behörden auf Basis einer Verordnung Trumps in der Stadt ist, nahm zu den Vorfällen konkret nicht Stellung. Der amtsführende Chef der Behörde Chad Wolf – Trump hat ihn bisher nicht, so wie rechtlich vorgesehen, in einer Sentatsabstimmung bestätigen lassen – meldete sich aber allgemein mit einem Auftritt auf "Fox News" zu Wort, den er auch auf Twitter postete. In einem weiteren Posting sind Menschen zu sehen, die sehr ähnliche Tarnuniformen tragen wie jene in dem Video von der Festnahme. "Unsere Männer und Frauen in Uniform sind Patrioten", schrieb Wolf dazu, ohne auf die Festnahmen einzugehen. US-Präsident Trump hatte schon vor einigen Tagen den Einsatz seiner Beamten gelobt. Portland sei "völlig außer Kontrolle gewesen", behauptete er am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Proteste seien nun aber "niedergeschlagen". Er glaube "dass viele Menschen jetzt wohl im Gefängnis sind".

Klage gegen die Bundesbehören

Die Stadt Portland und der Bundesstaat Oregon sehen das anders. Sie haben die Vertreter der Bundesbehörden mehrfach zum Gehen aufgefordert. Außerdem will das Justizministerium Oregons eine Klage wegen Verstößen gegen die Bürgerrechte und unrechtmäßiger Freiheitsberaubung gegen Heimatschutzministerium, Zoll- und Grenzbehörde sowie die US Marshals einbringen. Außerdem geht es um den ungesetzlichen Einsatz von Gewalt. Dabei handelt es unter anderem um den Fall eines 26-jährigen Demonstranten, der 12. Juli schwer verletzt worden war, als ihm Beamten mit nicht-tödlicher Munition für den Demonstrationseinsatz auf den Kopf geschossen hatten. Er hatte mit beiden Händen einen Lautsprecher am Kopf getragen und mit den Füßen einen Tränengaskanister weggetreten, wie auf Videos zu sehen ist. Beamte hatte er nicht angegriffen.

Auch die Bürgerrechtsbewegung ACLU will klagen. Sie spricht von Entführungen. US-Rechtsexpertinnen, die von Medien zu der Causa befragt wurden, gehen nicht davon aus, dass solche Festnahmen ohne Identifikation, dem Verlesen der Rechte und ohne Mitteilung eines konkreten Vorwurfs rechtmäßig sein können. (mesc, 18.7.2020)