Jedenfalls zeigt Cammarate all diese kleinen und deshalb als Kleinigkeiten abgewerteten Arbeiten auf und erklärt, warum sie so zermürbend sind: Weil es nicht nur darum geht, sie zu erledigen, sondern weil in halbwegs modern ausgerichteten Beziehungen ja bitte schön der Anspruch da ist, sich das alles aufzuteilen.Außerdem sind diese Aufgaben nicht nur irgendwie da, sie müssen auch verteilt werden, und in vielen Fällen muss der andere immer wieder daran erinnert werden oder braucht Beratung, wenn er eine Aufgabe in die Hand nimmt. Stichwort Kindergeburtstag: Ein Geschenk mitbringen? Wenn ja, welches? Wo muss das Kind hin? Wann muss es abgeholt werden – viele Frauen springen ihrem Partner mit all diesen Details helfend zur Seite, er bringt das Kind letztlich nur mehr hin.
Angeblich gleichberechtigt
Auseinandersetzungen über diese Alltagssituationen sind keine Kleinigkeiten, auch das zeigt das Buch. Vielmehr zeigen sie die Tatsache auf, dass Frauen oft im Schein einer nach außen hin angeblich so gleichberechtigten Beziehung im Stich gelassen werden. Mit der Verteilung und dem Streit um den Mental Load geht es also mitunter ans Eingemachte in einer Beziehung. Das Buch bestärkt darin, es nicht gut sein zu lassen und nicht vieles selber zu erledigen, weil es ad hoc einfacher erscheint.Im mittleren Teil kommt dann die Liebe der Autorin zum Projektmanagement durch. Da wird empfohlen, Listen zu schreiben, "Mental-Load-Maps" zu erstellen, um zu sehen, wer an Aufgaben denkt und wer sie durchführt. Das sieht tatsächlich nach viel unbezahlter Arbeit aus. Anders scheint es aber laut Cammarate zumindest am Anfang nicht zu gehen, um sich längerfristig mehr Zeit zu verschaffen. Schließlich liefert die Autorin aber auch den Lohn für all die Mühe und zählt die Vorteile einer gerechten Arbeitsteilung in der Familie auf. Es sind ziemlich viele.
Der Ratgeber-DownerAllerdings gibt es da noch diese Sache mit dem Druck, der auch bei diesem Buch ein wenig aufkommt. Die Autorin geht fast immer von einer Familie mit Vater, Mutter oder zumindest mit zwei erziehungsberechtigten Menschen im Haushalt aus, die gleich mehrere Kinder haben. Wer "nur" ein Kind und so schon zu wenig Zeit für sich hat, den wird das Buch nicht wirklich mitnehmen – vielleicht sogar frustrieren.Zum Beispiel, wenn Patricia Cammarata auf den ersten Seiten des Buches von der Zeit erzählt, in der sie ständig müde war. Auf dem Weg zu ihrem Job hatte sie oft das Gefühl, sich jetzt einfach mal kurz auf die Straße legen zu müssen, um die Augen zu schließen, nur zwei oder drei Minuten. Nun ja, Patricia Cammarata hat aber in Wahrheit ziemlich lange durchgehalten. Auf die Straße legen wollte sie sich nämlich erst beim dritten Kind. Die Latte hängt also ziemlich hoch. (Beate Hausbichler, 29.7.2020)
*Update: In einer ersten Version wurde nur der zweite Teil des Artikels angezeigt. Inzwischen wurde dieser Fehler behoben.
Patricia Cammarata, Raus aus der Mental-Load-Falle. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt", 18,50 Euro / 224 Seiten, Beltz-Verlag