Nach einer ähnlichen Untersuchung wurden dem japanischen Judoverband 2013 vorübergehend finanzielle Mittel gekürzt, ein Kulturwandel blieb aus.

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Tokio – Im japanischen Nachwuchssport sind verbaler, körperlicher und sexueller Missbrauch von Athleten offenbar sehr weit verbreitet. Bei einer Umfrage der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) unter mehr als 800 Sportlern gab fast jeder fünfte Befragte an, geschlagen, getreten oder auch beschimpft worden zu sein.

Kinder werden laut dem Bericht ins Gesicht geschlagen, getreten, gewürgt oder unter Wasser gehalten. "Zu den Missbräuchen gehören auch übermäßiges oder unzureichendes Essen und Trinken", sagte dazu HRW-Sprecherin Minky Warden. Auch verbale und sexueller Missbrauch würde vorkommen, von körperlicher Gewalt sei aber am öftesten berichtet worden. Prügelstrafen haben im japanischen Sport eine lange Tradition, laut HRW seien sie in vielen Gesellschaftsschichten immer noch "akzeptiert und normalisiert".

"Ich wurde so oft geschlagen, dass ich es nicht zählen kann...wir wurden alle zum Trainer gerufen und ich wurde vor allen ins Gesicht geschlagen. Ich habe geblutet, aber er hat nicht aufgehört, mich zu schlagen. Ich habe gesagt, dass meine Nase blutet, aber er hat nicht aufgehört", wird beispielsweise "Daiki A. aus Fukuoka" in dem Bericht zitiert.

Schreckliche Tradition

Prügelstrafen sind in Japan erst seit heuer gesetzlich komplett verboten. HRW fordert, per Gesetz explizit festzuhalten, dass das auch für den organisierten Sport gilt und dem taibatsu genannten Usus damit ein Ende zu bereiten.

Bereits 2013 hatte es im japanischen Sport eine Untersuchung gegeben, die ähnliche Ergebnisse wie die aktuelle gebracht hatte. Seinerzeit waren aber lediglich dem nationalen Judoverband temporär finanzielle Mittel gekürzt worden, seither eingeführte landesweite Reformen beschränkten sich auf nicht-bindende Richtlinien. "Verbände können in Japan ihre eigenen Systeme einrichten, um Missbrauch und Täter zu verfolgen – und viele entscheiden sich einfach, das nicht zu tun", wird die Japan-Direktorin von HRW, Kanae Doi, zitiert.

Eigentlich hätten am Freitag die Olympischen Sommerspiele in Tokio eröffnet werden sollen. Wegen der Corona-Pandemie wurde die prestigeträchtige Veranstaltung aber exakt ein Jahr verschoben. "Das ist eine einmalige Chance, Gesetze in Japan und rund um die Welt zu ändern, um Millionen von Kindern zu schützen", sagte HRW-Sprecherin Warden. (red, sid, 20.7.2020)