Dem Kopf des Heiligen Johannes entgleiten die Gesichtszüge.

Nikolaus Schletterer

Im Juni wurde Oliver Laric in Innsbruck mit dem RLB-Kunstpreis ausgezeichnet, die Preisträgerschau zeigte zwei Animationsfilme des Künstlers, darunter einen titellosen Bilderfluss der Metamorphosen. Wo aus Pflanzen Hände wachsen, ein Frosch sich zum Tisch formt oder Comic-Helden in antike Figuren gemorpht werden, verschwimmen auch die Grenzen zwischen High und Low, Original und Kopie aus dem schier unüberschaubaren Reservoir an digitaler Bildproduktion, Abgespeichertem und Weitergeträumtem.

Wider die Hierarchie und das hehre Prinzip des Musealen ist der 1981 in Innsbruck geborene und in Berlin lebende Künstler auch unterwegs, wenn er 3D-Scans historischer Skulpturen und Artefakte auf seiner Website threedscans.com zum kostenlosen Download bereitstellt und so in einer Art "demokratischem Akt" der digitalen Gesellschaft zur Verfügung stellt.

Mittels 3D-Druck

Aber was tun damit? Laric selbst überführt das gesammelte Datenmaterial – unter anderem mittels 3D-Druck – jedenfalls auch zurück ins Analoge: So ist in den letzten Jahren eine Reihe von Kopien antiker Jünglinge, Tierplastiken oder Personendenkmäler aus unterschiedlichen Jahrhunderten entstanden. Den in der Kunst nicht erst seit gestern gestellten Fragen zu Aneignung, Original und Autorenschaft fügt Laric damit allein wenig Wesentliches hinzu.

Interessant wird es dort, wo sich minimale Verschiebungen einschleichen, Details subversiv verzerrt oder ironisch gebrochen werden. Damit legt Laric nämlich auch eine Fährte zu der Frage, wie es um das Verhältnis zwischen digitaler und analoger Wirklichkeitskonstruktion bestellt ist.

Johannes dem Täufer

Sie lässt sich ganz gut anhand ikonografischer Darstellungen wie dem abgeschlagenen Haupt von Johannes dem Täufer untersuchen. In seiner aktuellen Ausstellung in der Innsbrucker Galerie Widauer zeigt Laric die Johannesschüssel aus dem Berliner Bode-Museum in zwei auf Basis der 3D-Scans entstandenen, schließlich in Kunstharz neu gegossenen Versionen – und lässt in einer davon fast unmerklich die Gesichtszüge verschwimmen.

In einem digitalen Print wiederum beraubt er das von Peter Vischer d. Ä. nach einem Entwurf von Albrecht Dürer in Bronze gegossene Standbild von Theoderich aus der Innsbrucker Hofkirche seines Schwerts – was gefühlt dazu führt, dass der Gotenkönig ein wenig desperater unter seinem Helm hervorschaut als sonst.

Auf dem Weg vom Analogen ins Digitale und zurück vollziehen sich Metamorphosen, die man freilich erst einmal erkennen muss. Letztlich verführt Laric dazu, sich das "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" (Walter Benjamin) ganz genau anzuschauen. (Ivona Jelcic, 21.7.2020)