Allein der Gedanke treibt den meisten Tierbesitzern den kalten Angstschweiß auf die Stirn: Der Hund oder die Katze ist verschwunden. Was, wenn etwas passiert ist? Was, wenn sich das Tierchen verlaufen hat?

Das Paschinger Unternehmen Tractive hat aus dieser Problematik eine Geschäftsidee entwickelt. Die Oberösterreicher bauen GPS-Tracker für Haustiere, die es Besitzern ermöglichen, via App am Smartphone den eigenen Vierbeiner zu lokalisieren. "Ich habe mit einem Freund stundenlang seinen entlaufenen Hund gesucht", erzählt Tractive-Gründer Michael Hurnaus im Gespräch mit dem STANDARD.

"So entstand die Idee, ich konnte es mir nicht erklären, warum es so etwas nicht gab." Das war im Jahr 2012. Gemeinsam mit Florian Gschwandtner, dem mit ihm befreundeten Runtastic-Gründer, stampfte er daraufhin das Konzept aus dem Boden. Hurnaus kündigte seinen Job bei Amazon und kehrte von Kalifornien ins Valley Linz-Land zurück. Im Jänner kam auch Gschwandtner wieder ins Team und übernahm das Wachstumsmanagement.

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Tractive will anhand der gesammelten Daten herausfinden, wie sich das "typische" Tier verhält. Bei Unregelmäßigkeiten soll die App Alarm schlagen.
Foto: Reuters/DAVID W CERNY

275.000 zahlende Kunden

Knappe acht Jahre später zählt der Betrieb eigenen Angaben zufolge 275.000 zahlende Kunden in 150 Ländern und sieht sich damit als Weltmarktführer. Der Tracker, der am Halsband des Tieres befestigt wird, funktioniert wie ein Handy, hat eine SIM-Karte und GSM- sowie GPS-Modul eingebaut. 49,99 Euro kostet das Gerät, 4,99 Euro das notwendige Monatsabo (bei einjähriger Bindung), damit die Ortung funktioniert.

Hurnaus kennt die Zweifel, ob es denn sein Produkt braucht: "Den Hund, der nicht weglaufen kann, gibt es nicht. Einmal erschreckt, und er ist weg." Er zieht deshalb eine Parallele zum Sicherheitsgurt: "Man hofft, ihn nie zu brauchen, aber ist froh, wenn er da ist."

Viele Beagles tragen bereits den Halsbandzusatz, um ihren Besitzern nicht mehr so leicht entwischen zu können.
Foto: Tractive

Fitnesstracker

Was Katzen den lieben langen Tag so machen, wissen viele Besitzer nicht. Deshalb brachte Tractive vor rund einem Jahr einen Katzentracker auf den Markt. "Kunden sehen, wo sich ihre Katzen herumtreiben. Es geht dabei weniger um den Verlust als um das Interesse am Leben des Tiers."

Gleichzeitig mit dem Schritt nach Amerika stellte Tractive eine neue Funktion des Geräts vor: der Fitnesstracker. Die App analysiert, wie viel sich das Haustier bewegt. Zwei Ziele verfolgen die Paschinger. Einerseits sollen Besitzer aufmerksam werden, wenn Tiere übergewichtig sind und mehr Bewegung brauchen. Tractive zufolge haben 40 Prozent der mitteleuropäischen Hunde und Katzen zu viel auf den Rippen.

Unregelmäßigkeiten erkennen

Andererseits möchte man ein vordiagnostisches Tool zur Verfügung stellen: "Wir sammeln Daten, um rauszufinden, wie viel sich zum Beispiel ein ‚typischer‘ Labrador bewegt. Via Machine-Learning soll die App Bescheid geben, wenn sich Unregelmäßigkeiten abzeichnen", so Hurnaus. Die Daten würden anonymisiert und nicht weitergegeben, man wolle den Vorsprung nicht einbüßen.

Viele Katzenbesitzer haben keine Ahnung, wo sich der oft eigenwillige Vierbeiner so herumtreibt.
Foto: Tractive

Den "Start-up-Schuhen" ist Tractive mit 94 Beschäftigten aus 27 Nationen zwar schon entwachsen, wie in der Branche üblich gibt es über den Umsatz jedoch keine Angaben. Auf Basis des Abo-Modells und der Kundenzahl lässt sich jedoch auf einen monatlichen Umsatz von rund 1,5 Millionen Euro schließen. Vor rund zwei Wochen expandierte Tractive in die USA und will den Markt erschließen. Aktuell kommen fast alle Einnahmen aus Europa. Am "beliebtesten" ist der Tracker aktuell bei Beagles. (Andreas Danzer, 21.7.2020)