Wegen Eigenkapitalinstrumenten, die kein Eigenkapital bildeten, wurde die Aufsicht schon 2015 tätig.

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Wien – Die Mattersburger Commerzialbank war schon 2015 Thema für die Justiz, nach einer Strafanzeige der FMA. Im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung 2015 waren die Prüfer von der Notenbank auf Partizipationskapital (PS-Kapital) gestoßen, das mittels Kredit finanziert war und daher in den Augen der Aufsicht nicht als Eigenkapital gelten konnte.

Ein Whistleblower hatte das angezündet, der Wirtschaftsprüfer soll die Anrechenbarkeit der Mittel zum Eigenkapital bestätigt haben. Die Geschäfte wurden in der Folge abgestellt, rückabgewickelt und die Eigenkapitalposition richtiggestellt.

Kein Anfangsverdacht

Die FMA erstattete im Dezember 2015 trotzdem Anzeige – wegen des Verdachts der Untreue, weil die Bank 2007 bis 2014 Zinsen für die PS-Scheinkonstruktion bezahlt hatte. Es ging um 40.000 Euro im Jahr. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt sah keinen Schaden, keinen Vorsatz und keinen Anfangsverdacht und nahm daher keine Ermittlungen auf. Letzteres bestätigte die Behörde auf Anfrage des STANDARD.

Der Aufsichtsrat der Commerzialbank soll über das Thema informiert gewesen sein; anders als bei den jetzt aufgeflogenen Malversationen in der Höhe vom hunderten Millionen Euro.

Wirtschaftsprüfer schweigt

Der Wirtschaftsprüfer TPA, der die Bilanzen des Mattersburger Instituts schon seit 2006 prüft, sagt unter Verweis auf Verschwiegenheitspflichten nichts zur Anzeige von 2015. Ob sein Vertrauen in die Bank, das TPA durch die jetzt offenbar gewordenen Vorfälle als "missbraucht" bezeichnete, nicht schon damals erschüttert worden ist? Auch dazu gibt es keine Antwort.

Der burgenländische Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil (SP), redet dagegen sehr gerne zur Causa prima: "Ich verstehe nicht, warum bei solch einer Dimension die Verdächtigen teilweise immer noch in der Bank spazieren gehen können." Norbert Wess, der Anwalt des angesprochenen Ex-Bankchefs Martin Pucher, widerspricht dem Landeschef: "Die Forderung nach U-Haft ist offensichtlich stimmungsmotiviert." Pucher sei seit vergangenem Dienstag nicht mehr in der Bank gewesen.

Auch die FPÖ Burgenland äußerte sich: Sie ortet ein "multiples Versagen der Kontrollorgane". Es sei unverständlich, warum die Unstimmigkeiten nicht schon früher aufgefallen seien, sagte Landtagsabgeordneter Alexander Petschnig am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Er fordert die Aufdeckung der strukturellen Verflechtungen der Bank und Hilfe für betroffene Firmen.

Hilfe für Kunden

Weder Fußballklub noch Bank – "eine Privatbank" – könne das Land auffangen, so Doskozil. Privatkunden und Unternehmen greife man aber unter die Arme, wurde bei einem Bankengipfel in Eisenstadt am Montag beschlossen. Ersatzkonten sollen unbürokratisch einen 1.000-Euro-Rahmen bekommen. Unternehmenskonten stellt das Land einen Haftungsrahmen von insgesamt vorerst fünf Millionen Euro in Aussicht.

Die Kunden sollten unterdessen am Dienstag einen Brief mit einem Code von der Einlagensicherung (ESA) bekommen. Mit diesem Code und ihrem IBAN können sie sich auf der ESA-Website registrieren, um an ihr Geld zu kommen. Die gesetzliche Einlagensicherung garantiert pro Person oder Unternehmen bis zu 100.000 Euro. Insgesamt müssen laut "Presse" und "Salzburger Nachrichten" (SN) 490 Millionen Euro ausbezahlt werden, mehr als erwartet.

Viele Losungswort-Sparbücher

Zusätzlich gibt es überraschend viele, nämlich 30.000, Losungswort-Sparbücher. "Zum Teil wurden da Zinsen gezahlt, die auch den Prüfern auffallen hätten müssen", wird Stefan Tacke, einer der Geschäftsführer der ESA, in den "SN" zitiert. Auf diesen anonymen Sparbüchern dürfen maximal 15.000 Euro liegen. Sparbuchinhaber, die auch ein Konto bei der Commerzialbank Mattersburg hatten, können online mit Code und Losungswort auch ihre Sparbücher freischalten, für alle anderen gibt es ein anderes Antragsformular im Internet.

Kunden, die das ganze nicht über Internet machen können oder wollen, können dies bei der Servicestelle der ESA, eine Filiale der Commerzialbank in Zemendorf, tun. Laut Tacke hat man 30 Jahre lang Zeit, um die Einlagensicherung geltend zu machen, wie er der "Presse" sagte.

Befragung Puchers geht weiter

Diese Woche gehen unterdessen die Befragungen von Ex-Bankchef Martin Pucher weiter. Laut "Österreich" wurde in der Causa ein Sachverständiger bestellt, der Wirtschaftsprüfer Karl Hengstberger. Er erstellte seinerzeit auch ein Gutachten zu den Vorzugsaktien der Hypo Alpe Adria.

Pucher soll mehr als zehn Jahre die Bankbilanzen mit fingierten Krediten und Einlagen aufgefettet haben und außerdem, so der Verdacht, Kredite an Kunden ohne ausreichende Bonität vergeben haben, die das Geld dann Puchers Fußballklub SV Mattersburg gesponsert hätten. Für Pucher gilt die Unschuldsvermutung. Er hatte über seinen Anwalt ausrichten lassen, dass er die Vorkommnisse zutiefst bedaure, die volle Verantwortung übernehme und bei der Aufarbeitung der Geschehnisse mitwirken werde. (Renate Graber, Wolfgang Weisgram, APA, 21.7.2020)