Küssen im Kulturmontag im ORF, nachzusehen hier in der ORF-TVThek.

Foto: screenshot, tvthek.orf.at

Corona hat uns womöglich voneinander etwas entfernt. So manchem wird das Gegenüber zur Bedrohung, unsere Mimik ist hinter dem Nase-Mund-Vorhang verschwunden. Es grassiert der misstrauische Blick, aus dem die Warnung strahlt, ja nicht zu nahe zu kommen. Bleib fern, Superspreader. Natürlich ist die Kultur von der nützlichen Distanzvorsicht, ihren jedoch lästigen Folgen, erfasst worden. Es sitzt der eingeschüchterte Hörer etwa in recht leeren Konzerthäusern und denkt sich, womöglich ist die neunte auch meine letzte Bruckner-Symphonie – vor dem Geruchsverlust.

Andererseits regt sich auch Berührungshunger oder Hauthunger, wie manche sagen. Aktionen, die sich dieser elementaren Sehnsucht annehmen, waren jedenfalls im ORF-Kulturmontag zu begutachten. Zu sehen ein Mann, der eine Glasscheibe mit sich trägt und Kontakt sucht: Er geht auf Passantinnen und Passanten zu und fordert sie auf, ihm einen Kuss zu geben – jedoch abgesichert durch die Scheibe.

Dieser freundliche Thomas Geiger mit seinem Festival of Minimal Arts am Reumannplatz in Favoriten muss die Leute nicht lange überreden. Einige zieren sich, doch die Frohbotschaft: Viele sind bereit zur Schmatzintimität, die Stimmung scheint ausgelassen.

Solcher Aktionismus tut gut. Bei aller nötigen Vorsicht im Virenbereich gehört zur Selbstverantwortung ja auch, seine Bedürfnisse nicht verkümmern zu lassen. Und die Kunstaktion zeigt: Da sind wir, um mit Gesundheitsminister Anschober zu sprechen, den wir aus dem TV kennen, noch auf einem guten Weg. (Ljubiša Tošić, 21.7.2020)