Am ersten Verhandlungstag bekannte Peter I. (mit Krücke) sich schuldig, eine 86-Jährige getötet zu haben. Er will aber nicht mit Vorsatz gehandelt haben. Warum die Austria Presse Agentur auch Verteidiger Wolfgang Blaschitz verpixelt hat, ist ungeklärt.

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Wiener Neustadt – "Wie kommt man auf die Idee? Haben Sie das im Fernsehen gesehen? Als Banker jemanden mit einem Sparstrumpf umbringen ist ja ..." – Vorsitzende Birgit Borns sucht nach dem richtigen Ausdruck – "... skurril." Der wegen Mordes an einer 86-jährigen Kundin angeklagte Peter I. kann keine wirkliche Antwort geben. Stattdessen versucht er weiter zu erklären, dass die Tat am 16. September 2019 in Edlitz im Bezirk Neunkirchen eigentlich eine Affekthandlung gewesen sei.

Eine Strategie, die auch seine Verteidigerin Astrid Wagner, die im Team mit Wolfgang Blaschitz tätig ist, in ihrem Eröffnungsplädoyer versucht. Ihr Mandant habe "eine Art Beziehungstat" begangen, ein "ausgereifter Tatplan war nicht vorhanden", versucht sie den Geschworenen zu erklären. Der 62-jährige I. sei als "freundlich, höflich, zurückhaltend und verantwortungsvoll" bekannt gewesen, bemüht sich Wagner, den Angeklagten im besten Licht erscheinen zu lassen.

Kein Bedauern über Tod der "Frau Baumeister"

Das Problem an der Strategie: I. zerstört sie mit seiner Aussage selbst. Immer wieder blitzt sein Selbstmitleid auf, während er eloquent auf die Fragen der Vorsitzenden antwortet. Sein Opfer nennt er nie beim Namen, sondern spricht stets von der "Frau Baumeister". Das sei der alten Frau wichtig gewesen, erklärt er auf die Frage einer Geschworenen. Dass er ihren Tod bedauert, kommt ihm zumindest in den ersten beiden Stunden seiner Einvernahme nicht über die Lippen.

Seit 30 Jahren habe er sie gekannt, erzählt der Unbescholtene. 5,5 Millionen Österreichische Schilling (umgerechnet knapp 400.000 Euro) habe er für sie veranlagt. In Aktien. "Aggressiv, aber durchaus vertretbar", beteuert er. "Es war eine recht gute Zusammenarbeit, die Märkte waren auch sehr gut." Bis zu 700.000 Euro war das Paket in der besten Zeit wert. Knapp vor der Jahrtausendwende waren die Märkte dann nicht mehr so gut. "Der Markt ist ein bisserl schwierig geworden", drückt I. es aus. Der Aktienindex Dow Jones habe zur fraglichen Zeit 17 Prozent eingebüßt. Die Aktien, die er mit dem Geld der alten Dame gekauft hatte, waren plötzlich 70 bis 80 Prozent weniger wert. Von 700.000 Euro waren nur noch 140.000 Euro übrig.

Geheimhaltung aus Angst um Ruf

Da sich das Opfer bereits über einen früheren, geringfügigeren Verlust echauffiert und ihm Vorwürfe gemacht hatte, beschloss er, den Vermögensrückgang geheim zu halten. Er habe Angst um seinen Ruf in der Branche gehabt, begründet der Angeklagte. Einerseits fälschte er Unterlagen, andererseits gaukelte er der Frau vor, große Summen als Festgeld veranlagt zu haben.

Das ging gut, bis das Opfer beschloss, die gesamten Ersparnisse bei einer näher am Wohnort liegenden Bank zusammenzuziehen. Am 19. September wären die Verluste aufgeflogen, das war das Datum, an dem das – nicht vorhandene – Festgeld verfügbar gewesen wäre.

I. schildert, er habe drei Optionen im Kopf durchgespielt: ein Geständnis, Selbstmord – und den Tod der Frau. Insgeheim habe er auf ein natürliches Ableben gehofft, da die Erben nicht wussten, dass eigentlich mehr Geld da sein müsste. Allein, das Opfer lebte weiter.

Angriff bei vierter Gelegenheit

Wie schon vor der Polizei gibt der 62-Jährige auch vor Gericht zu, dass die Tat nicht ganz so spontan war, wie es seine Verteidigung darzustellen versucht. Während er die Frau normalerweise zwei- bis dreimal im Jahr besuchte, gab es im Sommer 2019 innerhalb eines Monats vier Treffen. Und bei jedem hatte der Angeklagte einen Strumpf, gefüllt mit einem Kilogramm Münzen, in der Tasche.

Sein Plan: Er wollte das Opfer damit bewusstlos schlagen, dann die Kellerstiege hinunterstoßen und ihren Kopf an einer Stufe zerschmettern. Am Kopf der Treppe hätte er einen Stuhl hingestellt, um einen Haushaltsunfall vorzutäuschen.

Bei den ersten drei Besuchen schreckte I. vor der Umsetzung zurück. Offenbar hegte er noch immer Hoffnung, die Frau weiter täuschen zu können. "Sie hat aber auf dem Septembertermin insistiert", bedauert er. Seine Zeit lief also ab.

Sorge um die Erben

Er mietete in Wien ein Auto und fuhr nach Edlitz. Das Kennzeichen hinten montierte er ab, um bei einer Flucht nicht enttarnt zu werden. "Das hört sich aber nicht so an, als ob Sie Suizidpläne gehabt hätten", hält die Vorsitzende dem Angeklagten vor. Der kontert: "Wenn ich Selbstmord begehe, dann nicht mit dem eigenen Auto." Das sollte nämlich für seine Erben erhalten bleiben.

Unter dem Vorwand, zufällig in der Gegend gewesen zu sein und dringend auf die Toilette zu müssen, kam er gegen 19.30 Uhr zu seinem Opfer. Laut Angeklagtem sei es dann zu einem Gespräch gekommen, in dessen Verlauf er den Verlust gestanden habe. Es folgte ein lautstarker Streit, die Frau stand auf, um ihre Finanzunterlagen zu holen. I. packte den Sparstrumpf aus.

Was folgte, entbehrt bei aller Tragik nicht einer gewissen Komik. Zehnmal schlug der Angeklagte mit dem Strumpf auf den Kopf der 86-Jährigen, töten konnte er sie dadurch nicht. Also griff er zu einer weiteren mitgebrachten Tatwaffe: Frischhaltefolie. Damit bedeckte er das Gesicht des Opfers, um es zu ersticken. Allerdings lockerten sich die dritten Zähne der Frau, sie bekam wieder Luft. So hielt er ihr schließlich mit den Händen Mund und Nase zu, bis sie nicht mehr atmete.

Gescheiterte Suizidversuche

Da bereits ein Nachbar, der den Streit gehört hatte, geklopft hatte, wurde dem Angeklagten klar, dass er nicht mehr unerkannt flüchten konnte. Also beschloss er, sich selbst zu töten, indem er sich auf der nahen Südautobahn vor einen Lkw werfen wollte. Das Vorhaben war nur bedingt erfolgreich: Das erste Schwerfahrzeug konnte ausweichen. Vom nächsten wurde I. dann erfasst – und überlebte schwer verletzt.

Ein Urteil soll am 28. Juli fallen. (Michael Möseneder, 21.7.2020)