"Ein zu kalter Boden verhindert die Wasseraufnahme und die Wurzelbildung im Frühling, wodurch der Baum kein Wasser aus der Erde aufnehmen kann", sagt Beikircher.

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"Es ist wie bei einem Strohhalm", sagt Barbara Beikircher. "Ist der Wasserfaden intakt, wird das Wasser von den Wurzeln über das Holz nach oben in die Blätter der Bäume transportiert." Das funktioniert natürlich nicht, wenn Boden oder Stamm gefroren sind. Ohne diese Wasser- und damit auch Nährstoffzufuhr aber kann ein Baum nicht austreiben oder stirbt überhaupt ab.

Vier Jahre lang hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Botanik der Universität Innsbruck mit ihrem Team nach den Ursachen für die zunehmenden Winterschäden an Apfelbaumkulturen in Südtirol gefahndet.

Nun konnte sie für eine unter Obstbauern schon lange kursierende Vermutung den wissenschaftlichen Nachweis liefern: Die für Ernteausfälle in Millionenhöhe verantwortlichen Schäden stehen in Zusammenhang mit "Frosttrocknis" und einer unzulänglichen Wasserzufuhr vom Boden in die Blätter.

Kalter Boden unterbindet Wasseraufnahme

Ihre Untersuchungen führte Beikircher im Südtiroler Vinschgau durch – einer Region, die für ihre Äpfel berühmt ist und die bisher ganz gut davon leben konnte. Klimatisch zeichnet sich dieser oberste Teil des Etschtals durch warme Sommer und kalte Winter aus.

Bei den Untersuchungen an klimatisch unterschiedlichen Standorten und verschiedenen Apfelsorten fand die Forscherin heraus, dass einzelne Äste und ganze Bäume bereits vor dem Austrieb oder danach absterben können, wenn der Boden zu lange gefroren oder zu kalt ist. "Ein zu kalter Boden verhindert die Wasseraufnahme und die Wurzelbildung im Frühling, wodurch der Baum kein Wasser aus der Erde aufnehmen kann", sagt Beikircher.

"Gleichzeitig braucht er im Frühjahr dringend Wasser für das Wachstum und die wieder einsetzende Photosynthese." Mitunter kann ein Kirchturm für die unterbrochene Wasserleitung verantwortlich sein. Denn Apfelbauern haben von Winterschäden an exakt jenen Bäumen berichtet, die mittags im Schatten des örtlichen Kirchturms liegen.

Geeignete Gegenstrategien

Zu den gefürchteten Winterschäden kommt es glücklicherweise nicht jedes Jahr. "Aber durch den Klimawandel treten sie häufiger auf", hat die Wissenschafterin beobachtet. "Die steigenden Temperaturen beschleunigen den Austrieb und damit auch das Risiko, wenn der Boden noch kalt ist."

Ihre Erkenntnisse erleichtern die Entwicklung geeigneter Gegenstrategien und haben der Hertha-Firnberg-Stipendiatin des Wissenschaftsfonds FWF kürzlich den Preis des Fürstentums Liechtenstein für wissenschaftliche Forschung an den Innsbrucker Unis eingebracht.

Für die 43-jährige Pustertalerin ist das nach dem Theodor-Körner-Preis und dem Südtiroler Forschungspreis bereits die fünfte namhafte Auszeichnung, mit der sie für ihre Forschungsarbeiten dekoriert wurde.

Die Gefahr, bei so viel offiziellem Lob die Bodenhaftung zu verlieren, besteht bei ihr nicht. Dafür sorgen neben den erdverbundenen Forschungsthemen auch ihre beiden kleinen Kinder, mit denen sie möglichst jeden Nachmittag in der Natur unterwegs oder im eigenen Garten zugange ist.

Der sei zwar, wie sie meint, von bescheidenen Ausmaßen, aber zwei Apfelbäume, ein Kirsch- und ein Birnbaum haben immerhin Platz gefunden. Ein lebendes Labor mit Fachbetreuung, in dem vielleicht gerade eine neue Botaniker-Generation heranwächst. (Doris Griesser, 25.7.2020)