Während die Ferienhotellerie in guten Lagen boomt, gibt es in der Stadthotellerie noch jede Menge freie Zimmer.

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Wien – Das Ausbleiben internationaler Reisender hat weitreichende Auswirkungen, die sich im Detail noch gar nicht messen lassen. "Ein Dreivierteljahr ohne Gäste, das wird nicht ohne Folgen bleiben", warnt denn auch der Tourismusexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Oliver Fritz.

Die Flaute in dem von Fernreisenden aus Asien und Nordamerika besonders stark abhängigen Wiener Tourismus bleibt auch nicht auf die Bundeshauptstadt beschränkt, sie strahlt auf Regionen wie die Wachau oder den Neusiedler See aus. Denn dorthin machen viele Wien-Touristen Tagesausflüge.

Weniger Geld im Umlauf

Im Budget werde die Stadtregierung den Rückgang schmerzhaft spüren, denn bei Städtetouristen sitzt die Geldbörse tendenziell lockerer, erst recht bei Kongresstouristen. Sie gehen in die Oper, besuchen Kulturveranstaltungen und nähren so die Zulieferer in Gewerbe- und Dienstleistungssektor ebenso wie in der Gastronomie.

An Kongresse ist Corona-bedingt vorerst überhaupt nicht zu denken, und eine Verschiebung ins nächste oder übernächste Jahr bringt keinen Ersatz, weil sich Großveranstaltungen schon aus Kapazitätsgründen nicht multiplizieren lassen. "Ein leeres Bett kann man nicht zweimal verkaufen", zitiert der Wifo-Experte die Vorsitzende der Hoteliersvereinigung, Michaela Reiterer.

4,2 Prozent Anteil am Wiener BIP

Zwar scheint der Tourismusanteil am Wiener BIP mit 4,2 Prozent gering und daher ist dank der Konzentration öffentlicher Stellen und der Sachgüterindustrie die Abhängigkeit der Bundeshauptstadt von der Reisebranche nicht so hoch wie etwa in Tirol. Aber trübe sind die Aussichten auch in Wien, von Wachstumsraten wie in den vergangenen zehn Jahren lässt sich nur noch träumen. Mit 20 Prozent der gesamten Nächtigungszugewinne in Österreich (seit 2010) hatte der Wien-Tourismus die höchsten Zuwächse in Österreich. Das ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie abrupt abgerissen, quasi Schnee von gestern.

Im Wiener Kerngebiet sorgt der Tourismus für eine jährliche Wertschöpfung von 3,97 Milliarden Euro (direkte und indirekte Effekte), das sind nicht nur 4,2 Prozent des Wiener Bruttoregionalprodukts sondern entspricht auch zwölf Prozent der touristischen Wertschöpfung von ganz Österreich. Damit ist der Tourismus auch ein Jobmotor: Laut dem Tourismus-Satellitenkonto von Statistik Austria und Wifo hängen allein in Wien rund 116.500 Jobs an der Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

4,6 bis 5,7 Millionen Nächtigungen im Sommer statt 9,6 Millionen

Wie hoch der Rückgang aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen wird, lasse sich seriös nicht berechnen. Das auf Basis des Satellitenkontos als Annäherung errechnete pessimistischste Szenario sieht im Gesamtjahr einen Rückgang der Übernachtungen in Österreich um knapp 39 Prozent vor, wobei der Einbruch der Fernmärkte mit 83 Prozent durchaus als dramatisch bezeichnet werden kann. Selbst die optimistischste Annahme weist noch immer einen Einbruch in der Nächtigungsstatistik um ein Viertel aus.

In der Sommersaison dürfte es von allen Bundesländern Wien am stärksten treffen, da könnte im schlechtesten Fall die Hälfte der Nächtigungen ausbleiben. Im günstigeren Szenario wären es in Wien noch immer 40 Prozent, während das Land Salzburg mit einem Minus zwischen 26 und 40 Prozent rechnen muss. Das hieße im günstigeren Fall 5,7 Millionen Übernachtungen in Wien statt 9,6 Millionen im Sommer des Vorjahres. Im schlechteren Szenario sinkt diese Zahl sogar auf 4,6 Millionen.

Gefährlicher Cocktail

Für die Beherbergungswirtschaft ist der damit einhergehende Einnahmenentfall beträchtlich. Zahlreiche Hotels und Pensionen wurden mangels Auslastung seit dem Lockdown im März bisher noch nicht wieder eröffnet. Der Corona-Cocktail mischt sich aus legendär dünnen Eigenkapitaldecken bei sehr hohem Investitionsbedarf, extrem kurzen Investitionszyklen und hartem Wettbewerb, skizziert Wifo-Ökonom Fritz das brutale ökonomische Umfeld, in der sich die Beherbergungsbranche befindet.

Die Gefahr, dass ein runderneuertes Hotel bereits nach wenigen Jahren schon wieder als abgewohnt gilt und die Gäste zur Konkurrenz abwandern, sei so groß wie in kaum einer anderen Branche, etwa wenn der Wellnessbereich nicht mehr der letzte Schrei ist. In diesem Umfeld verdienten nicht wenige Betriebe kaum ihre Abschreibungen.

Eine Pleitewelle scheint programmiert, Prognosen will allerdings niemand machen, das sei unseriös. (Luise Ungerboeck, 22.7.2020)