Nikola Bilyk holte zuletzt nur trainingshalber zu Würfen aus. Verteidiger kamen ihm nicht in die Quere.

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Jetzt geht’s lo-hos, Gesänge wie diesen hat Nikola Bilyk schon oft zu hören bekommen. Sei es im österreichischen Handballnationalteam, das er bei der EM im Jänner als Kapitän auf Rang acht führte, sei es beim deutschen Spitzenklub THW Kiel, der heuer nach fünf Jahren Pause wieder Meister wurde, den 21. Titel holte, den ersten mit Bilyk. Wenn der 23-Jährige dieser Tage mit dem Auto von Wien nach Kiel fährt, kann er das Radio einschalten. Wann er wieder Fangesänge hören wird, steht in den Sternen. "Handball in Deutschland", sagt Bilyk, "ist von Corona besonders schwer getroffen."

Publikumsmagnet Kiel

Vereine wie Kiel füllen, so kein Virus wütet, die Hallen, mehr als 10.200 Fans pflegen oder pflegten den deutschen Rekordmeister anzufeuern. Nur zum Vergleich: Auf einen besseren oder vergleichbaren Schnitt kommen exakt drei österreichische Fußballklubs, Rapid, Salzburg und Sturm Graz. Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen machen einen guten Teil des Kieler Budgets aus. Bilyk: "Das ist ein wichtiger Faktor. Fällt er weg, tut das richtig weh." Denn die TV-Erlöse, das ist der große Gegensatz zum Fußball, fallen kaum ins Gewicht, weil sich mit Handball nur in Ausnahmefällen auch Quote machen lässt.

I Love Handball

Auf zdf.de wurde kürzlich gut zusammengefasst. Kiel wies demnach 2018/19 einen Umsatz von 13,42 Millionen Euro aus, aufs Ticketing entfielen etwa fünf Millionen oder 37 Prozent. 6,95 Millionen an Sponsoreinnahmen kamen dazu, die TV-Erlöse brachten nur 200.000 Euro oder 1,49 Prozent. Personalaufwand: 6,83 Millionen Euro, Mietkosten: 85.000 Euro – pro Heimspiel.

Geister rechnen anders

Das kann sich mit Geisterspielen, die im Raum stehen, kaum ausgehen. Klar ist, die Profis müssen auf Gehalt verzichten. Laut Medienberichten sind Kürzungen von bis zu 50 Prozent möglich. "Ich kann es nicht ändern", sagt Bilyk. "Ich bin in einer privilegierten Lage, muss mir um mich keine großen Sorgen machen. Es gibt viele Menschen mit viel größeren Problemen – das macht mir Sorgen. Ich denk nicht nur an meinen eigenen Arsch, ich kriege ja mit, was auf der Welt passiert."

Auch im Handball sind viele Fragen offen. Dürfen Fans überhaupt in die Hallen? Reicht es, jeden zweiten Platz frei zu lassen? Kann Europacup gespielt werden? Kann im Jänner 2021 die WM in Ägypten stattfinden, für die Österreich qualifiziert ist? Anfang Oktober soll in Deutschland die neue Saison beginnen, die Liga hat ein Konzept erarbeitet. Demzufolge sollen zumindest Stehplätze frei bleiben und nur Fans der Hausherren in die Halle dürfen.

Nach der Saison ist vor der Saison

Über seinen ersten Meistertitel mit Kiel hat sich Bilyk sehr gefreut – auch wenn dem Titel kein Finale vorausging. Vertreter aller Vereine hatten gemeinsam entschieden, die beim Abbruch führenden Kieler zu küren. "Ein gutes Gefühl, nur das Emotionale hat gefehlt." In Kiel beginnt in wenigen Tagen das Training. Bilyk spürt "die pure Vorfreude".

Seit Mitte März hat er in Wien-Margareten ab und zu mit seinem Ex-Verein, den Fivers, trainiert, ansonsten ist er gelaufen, geschwommen und Rad gefahren, hat Kraft getankt und Kondition geschunden. Er ist überzeugt davon, sich einen Vorteil verschafft zu haben. "Es kann keinen geben", sagt Nikola Bilyk, "der mehr getan hat als ich." Jetzt geht’s lo-hos, zur Not intoniert er es selbst. (Fritz Neumann, 22.7.2020)