Das Finanzamt muss mit Rückforderungen von Wirecard rechnen. Wegen überhöhter Umsätze wurden auch zu hohe Steuern bezahlt.

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Die Geschäfte – oder vielmehr die Nicht-Geschäfte – von Wirecard haben Nachwirkungen und können den deutschen Staat teuer zu stehen kommen. Grund sind mögliche Steuerrückforderungen in Millionenhöhe. Da der Wirecard-Vorstand die Bilanzen mit mutmaßlich gefälschten Umsätzen und Gewinnen aufgebläht hat, hat der Konzern zu hohe Steuern gezahlt.

Die nachträgliche Korrektur von Steuerbescheiden ist bei Insolvenzen gängige Praxis. Der vom Münchner Amtsgericht bei Wirecard eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé ist noch mit dem Insolvenzgutachten beschäftigt und nimmt zu seinen Plänen daher nicht Stellung. Insolvenzverwalter haben aber die Pflicht, die Masse zu wahren und nach Möglichkeit zu mehren, damit die Gläubiger so viel wie möglich von ihrem Geld wiedersehen.

Was nicht da ist, kann nicht besteuert werden

Steuerexperten verweisen auf Paragraf 41 Absatz 2 der Abgabenordnung: "Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich" – heißt: Nicht existente Gewinne und Umsätze werden auch nicht besteuert. Bei Wirecard geht es auch hier um große Summen: Der Konzern hat ausweislich seiner Bilanzen von 2015 bis 2018 knapp 160 Mio. Euro Ertragsteuern gezahlt. Die Umsatzsteuer macht ebenfalls erhebliche Beträge aus, wird aber in den Gewinn- und Verlustrechnungen von Aktiengesellschaften nicht ausgewiesen. Die möglichen Delikte der Ex-Wirecard-Chefs Markus Braun und Jan Marsalek könnten also noch um ein Steuerverfahren erweitert werden.

Um Licht in die verdeckten und verwobenen Vorgänge beim Zahlungsdienstleister zu bringen, wurde nun die Unternehmensberatung Alix Partners engagiert. Mit einem Team für forensische Untersuchungen sollen sie herausfinden, wer in Management und Aufsichtsrat wann von welchen der dubiosen Vorgänge rund um das 1,9 Mrd. Euro schwere Bilanzloch wusste. Die Ergebnisse der Untersuchung sind etwa für Klagen gegen Wirecard-Manager oder mögliche Ansprüche gegen die Managerhaftpflichtversicherung von Bedeutung.

EY soll gewarnt haben

Neu ist auch, dass der Wirecard-Abschlussprüfer EY das Unternehmen vor dem KPMG-Sonderbericht gewarnt haben soll. Die Sonderprüfung könnte zu Fehlinterpretationen führen, soll EY laut Financial Times befunden haben. Vor allem das Geschäft mit externen Zahlungabwicklern gehörte laut EY in einen Kontext gestellt, um Fehlinterpretationen auszuschließen. KPMG konnte letztlich für die Hälfte der Wirecard-Umsätze keinen Nachweis finden.

Bekannt wurde auch, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem China-Besuch im September 2019 für Wirecard einsetzte, obwohl das Kanzleramt damals bereits über über Sonderermittlungen der Bankenaufsicht informiert war. Das geht aus Angaben des deutschen Finanzministeriums hervor. (dpa, Reuters, bpf, 22.7.2020)