Im Silicon Valley hat sich seit dem Beginn der Coronapandemie die Gangart verändert. Kapitalgeber in den USA sind nach wie vor risikobereit, aber deutlich zögerlicher, wenn es um Frühfinanzierungen von Start-ups geht. Jungunternehmen aus dem Bereich Gesundheit, Bildung und Logistik konnten sich wenig überraschend als krisenresistent erweisen.

Bei den finanzkräftigen Risikokapitalgebern in den USA ist man nun weitaus vorsichtiger als vor der Coronakrise. Neben den unsicheren makroökonomischen Marktbedingungen muss in der traditionell kontaktintensiven Gründerszene nun das Investorenvertrauen per Videokonferenz gewonnen werden. Zudem ist der Coronaausblick in den USA nach wie vor düster. Die Konsequenz daraus heißt: Weniger Aktivität, denn die Investoren konzentrieren sich vor allem auf das bestehende Portfolio.

Seed-Finanzierung um mehr als 50 Prozent eingebrochen

"Firmen und Investoren sind sehr stark mit sich selbst beschäftigt", sagte Georg Fürlinger, Innovationsbeauftragter der Außenwirtschaft Austria in der WKO und Leiter des Open Austria Büros in San Francisco im Gespräch mit der APA. "Die Investoren wollen auf jeden Fall die Schäden minimieren."

Laut dem Venture-Capital-Spezialisten PitchBook wurden insbesondere die Frühfinanzierungen von Jungunternehmen in den USA stark getroffen. So ging in den USA im zweiten Quartal die Anzahl der Seed-Finanzierungsdeals um mehr als die Hälfte auf 316 zurück. Bei Risikokapital in der Start-up-Frühphase (early-stage Venture Capital) wird auf das Gesamtjahr ein Rückgang von 25 bis 30 Prozent erwartet. Weniger stark betroffen sind unterdessen die späteren Investments (late-stage VC), die sogar leicht zulegen konnten.

Bestimmte Branchen können jedoch erfolgreich dem Coronavirus trotzen und nun möglicherweise sogar leichter an Finanzmittel kommen. An der Anzahl der umgesetzten Deals gemessen, hatten im heurigen Jahr laut dem Start-up-Researchhaus CBInsights bis dato Unternehmen im Bereich Supply Chain und Logistiktechnologie die Nase vorne. An zweiter Stelle kamen Unternehmen im Bereich Digital Health.

Warten auf Telemedizin

Wenig überraschend konnten in den USA auch zahlreiche Biotech-Unternehmen Geld erfolgreich einsammeln. So ging die größte Serie-B-Finanzierung im zweiten Quartal in den USA an den Seattler Biotech-Konzern Sana. Das auf Gewebezucht (Tissue Engineering) spezialisierte Unternehmen konnte 435 Mio. Dollar (380 Mio. Euro) in Form von VC-Frühfinanzierung aufstellen.

Ein möglicher Gamechanger im Bereich Gesundheit & Technik (HealthTech) werde die Telemedizin sein, erwartet Fürlinger. Laut CBInsights ist das weltweite Funding von Start-ups im Bereich mentale Gesundheit und Wellness Telemedizin im Jahr 2020 bereits mit 648 Mio. Dollar auf einen Rekordwert gestiegen. Der Grund dafür heißt einmal mehr: Corona.

"In den USA ist man hier deutlich weiter", so Fürlinger. Grund dafür sei, dass die US-Gesundheitsanbieter sehr kostengesteuert arbeiten müssten, deswegen würden vermehrt digitale Lösungen den Gang zum Arzt ersetzen oder ergänzen.

Spuren der Krise

Nicht nur im Bereich HealthTech wird die Digitalisierung in den kommenden Monaten coronabedingt möglicherweise viel verändern. Auch im Bereich Ausbildung, also EdTech, wird das Coronavirus mit Sicherheit deutliche Spuren hinterlassen. Technologie werde in Coronazeiten eine Rolle spielen, um Ausbildung auf einem hohen Level möglich zu machen, so der Leiter des Open Austria Büros in San Francisco.

Während sich viele US-Universitäten aufgrund der Coronapandemie bereits für ein gesamtes Online-Unterrichtsjahr entschieden haben, werden Studenten dafür weiter mit teils bis zu fünfstelligen Studiengebühren zur Kasse gebeten. Hier kommen EdTech-Unternehmen wie Coursera, Udacity oder Udemy ins Spiel. Sie bieten Online-Kurse für einen Bruchteil der Kosten. Entscheidend werde die Glaubwürdigkeit und die Akkreditierung dieser Ausbildungen sein, so Fürlinger.

Corona wird jedoch weniger die US-Eliteunis wie Stanford, Harvard und Co auf eine harte Probe stellen. "Die haben eine starke Credibility und werden bestehen bleiben", erwartet der Innovationsbeauftragte der Außenwirtschaft Austria. "Das Problem sind aber die Universitäten aus der zweiten und dritten Reihe. Hier stellt sich die Frage, wie man die hohen Studiengebühren noch rechtfertigen kann, wenn die Kurse hauptsächlich online stattfinden." (APA, 22.07.2020)