Ein Blick ins EU-Parlament.

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Brüssel – Das EU-Parlament will die beim EU-Gipfel erzielte Einigung auf das nächste EU-Budget und den Corona-Aufbaufonds ablehnen. Den Anteil an Zuschüssen im 750 Milliarden Euro schweren schuldenfinanzierten Aufbaufonds sehen die EU-Abgeordneten als zu gering an und fordern Nachbesserungen, wie aus einem der APA vorliegenden Resolutionsentwurf für das Sonderplenum am Donnerstag hervorgeht.

Dieser wird von der Europäische Volkspartei (EVP), den Sozialdemokraten, der liberalen Fraktion Renew Europa, den Grünen und Linken mitgetragen. Sie fordern den Europäischen Rat auf, umgehend mit dem EU-Parlament in Verhandlungen zu treten. Die für eine Umsetzung notwendige Zustimmung des europäischen Abgeordnetenhauses zu dem EU-Wiederaufbauplan hängt demnach auch noch vom Entgegenkommen des Rates bei den EU-Eigenmitteln, der Einführung eines Rechtsstaatlichkeitsmechanismus und Investmentzusagen in Zukunftsbereichen wie Klima, Digitalisierung, Gesundheit und Forschung ab.

"Gefährliche" Entscheidungen

Die vorgeschlagene Kürzung des nächsten EU-Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 in den Bereichen Gesundheit und Forschung wird in dem Resolutionsentwurf angesichts der globalen Corona-Pandemie als "gefährlich" bezeichnet.

Dahingehend versuchte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits am Mittwochabend in der "ZiB 2" klarzustellen: "Gekürzt" heiße nur, dass es weniger Geld wird als im ursprünglichen Vorschlag. Es wird bei Klima, Forschung, Erasmus und so weiter mehr ausgegeben werden – all diese Programme wachsen extrem, versicherte der Kanzler.

Besonders die Kritik, dass gerade bei Ökomaßnahmen gekürzt worden sei, ließ Kurz nicht gelten, denn es werde "so viel Geld wie noch nie in den Klimaschutz investiert". Insgesamt würden von den 1,8 Billionen Euro 30 Prozent für den Kampf gegen den Klimawandel ausgegeben werden.

Weitere Forderungen des Parlaments

Die EU-Abgeordneten bestehen wiederum auch auf einer Reform der eigenen Finanzierungsquellen der EU, die neben einer Plastikabgabe Einnahmen aus dem Emissionshandel, CO2-Zölle, eine Digitalsteuer, eine Finanztransaktionssteuer und eine Unternehmenssteuer umfassen sollen, um die gemeinsam aufgenommenen Schulden für den Aufbaufonds zurückzuzahlen und höhere nationale EU-Mitgliedsbeiträge zu verhindern.

Zudem bedauern die EU-Abgeordneten den schwachen Kompromiss beim Thema Rechtsstaatlichkeit. Sie fordern den Rat auf, den Vorschlag für eine Rechtsstaatskonditionalität – das heißt, eine Bindung der Vergabe von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit – nicht weiter zu blockieren.

Lange Verhandlungen

Die EU-Abgeordneten unterbrechen für das Sonderplenum zum insgesamt 1,8 Billionen Euro schweren EU-Konjunkturpaket ihre Sommerpause. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich zuvor nach mehr als 91-stündigen Verhandlungen am Montagmorgen auf einen Wiederaufbauplan zur Bewältigung der Corona-Krise geeinigt. Dieser umfasst ein 1.074 Milliarden Euro schweres EU-Budget sowie die Aufnahme von 750 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt für den "Next Generation EU" genannten Aufbaufonds.

390 Milliarden Euro sollen davon als nicht rückzahlbare Zuschüsse an die besonders schwer von der Krise getroffenen EU-Länder vergeben werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite. Die EU-Kommission hatte ursprünglich 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden Euro als Kredite vorgesehen. Die "sparsamen vier" Nettozahlerländer Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande sowie Finnland setzten sich vehement für die Kürzung der Zuschüsse ein. (APA, 22.7.2020)