Die Auszahlung der Einlagensicherung ist angelaufen.

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Mattersburg/Wien – Wie DER STANDARD berichtet hatte, haben auch Wohnbaugenossenschaften insgesamt rund 100 Millionen Euro bei der Commerzialbank veranlagt. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte nun, dass die Pleite der Bank keine Auswirkungen auf die Mieter der Gesiba haben werde. Der städtische Wohnbaukonzern könnte durch die Pleite 17,5 Millionen Euro verlieren. Ludwig betonte, dass gemeinnützige Bauträger in Mattersburg besonders günstige Konditionen erhalten und ihr Geld daher gerne dort angelegt hätten.

Burgenlands betroffene Gemeinden wiederum bangen um ein Guthaben von insgesamt rund sechs Millionen Euro, teilte Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf (SPÖ) am Mittwoch nach einem Treffen mit Gemeindevertretern mit. Außerdem seien Darlehen von rund zwei Millionen bei der Bank vorhanden.

Das Land werde jedenfalls keine übermäßigen Liquiditätsengpässe der Kommunen zulassen, versicherte Eisenkopf. In den nächsten Tagen sollen die ausstehenden Bedarfszuweisungsmittel ausgezahlt werden, um die Kommunen zu entlasten. "Gemeinden dürfen nicht zu einem Stillstand kommen oder zahlungsunfähig werden. Das hat nun oberste Priorität."

Auszahlungen laufen an

Im Bilanzskandal um die Mattersburger Commerzialbank laufen nun jedenfalls die ersten Auszahlungen durch die Einlagensicherung an. Die Briefe an die Kunden, die einen Onlinezugangscode zur Bekanntgabe der neuen Daten enthalten, werden am Mittwoch zugestellt, sagte Stefan Tacke, Geschäftsführer der Einlagensicherung. Man rechne damit, dass viele noch in dieser Woche ihr Geld erhalten.

Ein Großteil der Betroffenen, die bisher in die Servicestelle der Einlagensicherung in der Commerzialbank-Filiale in Zemendorf gekommen sind, habe bereits ein neues Konto. Auch aufgrund der Sonderschichten und verlängerten Öffnungszeiten der anderen Banken gehe man davon aus, dass viele bereits ein neues Konto eröffnen konnten. "Wir haben schon eine Unmenge an E-Mails bekommen, in denen Kunden ihre Daten bekanntgeben", sagte Tacke.

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Auf Basis der Daten, die man von der Bank erhalten habe, gehe man davon aus, dass 95 Prozent der anspruchsberechtigten Kunden in voller Höhe entschädigt werden. "Sie fallen um nichts um", sagte Tacke. Wer über 100.000 Euro bei der Commerzialbank habe, könne die Summe darüber hinaus in einem möglichen Insolvenzverfahren anmelden.

Anwalt sieh Fehlverhalten bei Prüfern

Der Wiener Anwalt Jörg Zarbl ist skeptischer. Viele Wirtschaftstreibende hätten bei der Commerzialbank ihre Ersparnisse und Geschäftskonten gehabt, viele Sparer ihre Einlagen. "Jetzt zu behaupten, es sei kein Schaden entstanden und alles könne refundiert werden, halte ich für gewagt", meint Zarbl.

Der Anwalt nimmt nun die Bankprüfer des Mattersburger Geldhauses ins Visier. Er werde – gemeinsam mit Anwalt Johannes Neumayer – eine ergänzende Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einbringen, insbesondere gegen die Prüfer der TPA, kündigte er an.

Hier müsse die Frage geklärt werden, ob nicht durch die Praxis der Prüfer, sich Saldenbestätigungen nur von der Mattersburger Bank vorlegen zu lassen und nicht von den jeweiligen korrespondierenden Banken, das strafrechtliche Delikt "falscher Bestätigungsvermerk" verwirklicht worden sei, so der Anwalt. Denn die Richtlinien für die Wirtschaftsprüfer seien vor einigen Jahren extra verschärft worden.

Die TPA-Wirtschaftsprüfer sehen sich allerdings selbst als Opfer einer Täuschung der Banker, wie sie bereits betonten. Für alle Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung.

Ermittlungen laufen

Ermittlungen wegen des Bilanzskandals laufen jedenfalls bereits an mehreren Stellen. Die WKStA ist bereits eingeschaltet. Ein Konkurs über die Bank steht bevor, den muss die Finanzmarktaufsicht (FMA) beantragen. Dafür muss aber erst ein Statusbericht von Deloitte vorliegen. Erst nach Fertigstellung dieser Analyse wird ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen. Bankkonkurse kann in Österreich nur die FMA beantragen.

Es ist der größte Bankenskandal in Österreich seit vielen Jahren – schon in wenigen Tagen wird die Commerzialbank Mattersburg wohl Konkurs anmelden. Die burgenländische Mini-Bank mit nur acht Filialen hatte offiziell eine Bilanzsumme von 800 Millionen Euro – aber bis zur Hälfte davon dürfte einfach erfunden gewesen sein. Tausende Privatkunden kommen derzeit nicht an ihre Sparguthaben, einige Großkunden dürften zig Millionen verlieren. Und Landeshauptmann Doskozil versteht nicht, warum der langjährige Chef der Bank nicht in U-Haft sitzt – und übt heftige Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
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Der Deloitte-Statusbericht soll eine aus heutiger Sicht erkennbare tatsächliche Vermögenslage und Schadenshöhe auflisten. Der Bank beziehungsweise deren Ex-Chef Martin Pucher wird vorgeworfen, Bankbilanzen mit fingierten Krediten und Einlagen umfangreich aufgeblasen haben. Unter anderem wurden Guthaben bzw. Kontostände bei anderen Banken verbucht, die dort zumindest so aber nicht aufgeschienen sind.

Mehreren österreichischen Banken wurden solcherart fingierte Kontostände zugeschrieben. Der APA wurden einzelne Fälle von betroffenen Häusern bestätigt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Anlegeranwälte und Investorenvertreter sehen in dem Zusammenhang jetzt auch die Abschlussprüferaufsichtsbehörde APAB am Zug. Eine Stellungnahme dieser Behörde liegt der APA bisher noch nicht vor. (APA, red, 22.7.2020)