Zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis unterwegs und dafür gratis in Kultureinrichtungen: Mit dem Kultur-Token wird das möglich.

Foto: APA / Kunsthalle Wien / Jorit Aust

Wir sollten weniger oft fliegen, weniger oft mit dem Auto fahren. Wir sollten weniger oft Fleisch essen und weniger Fast-Fashion konsumieren. So lauten die Leitsätze der Klimaschützer und der Bewegung Fridays for Future. Geht es doch darum, den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen und die weltweite Erwärmung im Zaum zu halten.

An den guten Vorsätzen scheitert das Vorhaben, seinen individuellen Beitrag zu leisten, meist nicht. Wohl eher an der Umsetzung im Alltag. Eine Belohnung könnte hier helfen.

Auf so ein Belohnungssystem setzt die Stadt Wien, die als erste City weltweit an der Einführung eines Kultur-Tokens arbeitet. Das soll so funktionieren: Eine App misst mittels Motion-Tracking die zurückgelegten Wege und erkennt automatisch, ob der App-Besitzer zu Fuß gegangen ist, mit dem Rad gefahren oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt hat. Aufgrund dieser Daten berechnet die App anhand von Eingaben des Umweltministeriums die individuelle CO2-Einsparung – im Vergleich zu einer herkömmlichen Autofahrt.

Zwei Wochen lang zu Fuß

Wer auf diesem Weg rund 20 kg CO2 eingespart hat, bekommt einen Token gutgeschrieben. Zur Orientierung: Um 20 kg CO2 einzusparen, muss eine Person circa zwei Wochen lang den täglichen Arbeitsweg zu Fuß absolvieren, mit dem Rad fahren oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Der Token ist eine digitale Gutschrift, die in Kultureinrichtungen eingelöst werden kann. Diese virtuelle Gutschrift kann gegen Tickets von Kulturinstitutionen eingetauscht werden. Löst man einen Kultur-Token für eine bestimmte Veranstaltung ein – ein Token ist ein Eintritt – erhält man automatisch einen QR-Code auf das Handy, der dann beim Eintritt vorzuweisen ist. Geplant ist, dass immer bis zu fünf Tokens gesammelt werden können, dann muss ein Kultur-Token eingelöst werden, um wieder neue Tokens sammeln zu können.

Zwangspause

Die Corona-Pandemie hat der weiteren Entwicklung und Etablierung des Kultur-Tokens nun aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Weil der Kulturbetrieb durch Covid-19 erst stillgelegt wurde, momentan nur eingeschränkt läuft und auch die Mobilität der Menschen zum Teil sehr eingeschränkt ist, wurde der im Februar gestartete Testbetrieb der Token-App vorerst unterbrochen. Die Wiederaufnahme der Testphase ist fix geplant, das Wann ist die große Unbekannte.

"Im Zuge der Digital Days Ende September, Anfang Oktober werden wir den weiteren Fahrplan bekanntgeben", sagt Brigitte Lutz, Data-Governance-Koordinatorin der Stadt Wien. Sie hofft, dass man dann Corona-bedingt schon klarer sehen und planen können wird. Denn auch, wenn man derzeit nicht vorhersagen kann, wie sich der Kultur-Token wegen Covid-19 weiterentwickeln wird, so ist doch eines klar: "Das Projekt wird weitergehen", sagt Lutz.

Gerade einmal drei Wochen wurden geschafft, bevor Mitte März der Corona-Lockdown den weiteren Testbetrieb verunmöglicht hat. Mit 1000 Personen wollte die Stadt Wien in die Testphase gehen. "Angemeldet haben sich mehr als 4000 Menschen", sagt Lutz. Das große Interesse habe die Projektkoordinatoren überrascht. Wenn klar ist, wann der Testbetrieb wieder aufgenommen werden kann, werde man die bisherigen Tester anschreiben und schauen, wer weiterhin mitmachen möchte. Laufen soll der Probebetrieb für sechs Monate. Danach werde die weitere Etablierung des Kultur-Tokens angegangen.

Das Interesse war nämlich auch aufseiten der Kulturbetriebe groß. "Institutionen zu finden, die im Testlauf dabei sein wollen, war nicht schwer", sagt Lutz. Es sei überraschend gewesen, wie viele mitmachen wollten. Im ersten Testlauf habe man sich für vier kulturelle Einrichtungen entschieden. Die Tokens konnten gegen Eintrittskarten im Wiener Volkstheater, im Wien-Museum, in der Kunsthalle und im Wiener Konzerthaus eingetauscht werden.

Positives Feedback

Die ersten drei Testwochen hätten ein positives Feedback ergeben. Viele Mitwirkende hätten es laut Lutz schade gefunden, dass der Test abgebrochen werden musste. Andere haben mit den Einstellungen und der Handhabung der App gekämpft. Hier habe man bereits gelernt, dass man für den nächsten Test besser informieren müsse, damit der Ablauf klarer werde.

Die Idee zum Token kam von der Stadt Wien und wurde erstmals im Jahr 2018 ventiliert. Mittlerweile wird das Projekt gemeinsam mit Forschungspartnern betrieben. Mit an Bord sind das Institut für Kryptoökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien, die Universität Koblenz-Landau und das IHS (Insight Austria). Auch das Austrian Blockchain Center (ABC) und Upstream sind als Kooperationspartner mit dabei. Im Jänner 2019 wurde mit der Umsetzung des Kultur-Tokens begonnen. (Bettina Pfluger, 23.7.2020)