Die Dr. Karl Renner Statue am Wiener Rathausplatz.

Foto: christian fischer

Soll man Denkmäler von politisch fragwürdigen Persönlichkeiten stürzen? Oder mit Protestparolen beschmieren? Erklärende Zusatztafeln anbringen? Rosa anstreichen? Oder die Finger von ihnen lassen? Von den USA ausgehend, ist die Diskussion inzwischen auch bei uns entbrannt. Sklavenhalter und Antisemiten, in Stein gemeißelt, von Touristen bestaunt? Nicht gut. Aber alle einem politischen Korrektheitstest unterziehen und danach aussortieren? Auch nicht gut. Wenn man ehrlich ist, muss man bekennen: Eine wirklich befriedigende Lösung gibt es nicht.

In Österreich konzentriert sich die Debatte auf das Lueger-Denkmal am Stubenring. Eine eindrucksvolle Skulptur, die den "schönen Karl" in Überlebensgröße zeigt, seit neuestem dreifach mit dem Wort "Schande" in roter Farbe versehen. Die danebenstehende Tafel enthält einen Text des Historikers Oliver Rathkolb, des Inhalts, dass Lueger ein bedeutender Wiener Bürgermeister, aber auch ein radikaler Antisemit war. Nicht allen genügt das. Ein Vorschlag lautete, man solle die Lueger-Figur kippen und dadurch die "politische Schieflage" des Dargestellten visualisieren. Andere Lueger-Gegner fordern den Abriss.

Wer in Wien keine Ehrungen für problematische Personen haben will, hätte noch andere Optionen. Es gibt einen Weinheberplatz und eine Wiesingerstraße, zum Gedenken an einen Nazidichter und einen katholisch-antisemitischen Journalisten. Auf dem Antifaschismus-Denkmal von Alfred Hrdlicka auf dem Albertinaplatz befindet sich die Skulptur des "straßenwaschenden Juden", gut gemeint, aber für viele noch beleidigender als die Monumente für Antisemiten. Und ob das Deserteursdenkmal beim Bundeskanzleramt, auf dessen Stufen die Touristen ihre Sandwiches schmausen, seiner Intention gerecht wird, bezweifeln nicht nur Militaristen. Das Russen-Denkmal auf dem Schwarzenbergplatz gehört mittlerweile zum historischen Bestand, ebenso wie die napoleonischen Adler in Schönbrunn.

Politische Korrektheit im Straßenbild herzustellen birgt noch andere Schwierigkeiten. Wer einen Straßennamen ändert, nimmt in Kauf, dass auf allen Stadtplänen, Briefköpfen und Visitenkarten die Adressen korrigiert werden müssten. Niemand will das. Deshalb werden Persönlichkeiten der jüngeren Geschichte, die man ehren will, vorzugsweise mit Örtlichkeiten abgefunden, die keine größeren Umbenennungsprobleme aufwerfen. Deshalb ist der Bruno-Kreisky-Platz nicht viel mehr als eine Straßenecke und der Julius-Raab-Platz vor allem eine Straßenbahnstation.

Es lässt sich nicht leugnen: Die Geschichte hat ihre Spuren im Stadtbild nicht nur Wiens, sondern aller Städte hinterlassen. Man kann sie nicht ausradieren und auch nicht im Nachhinein adaptieren. Manchmal gelingt ein Kompromiss. So ist auf dem Justizpalast in Bozen der faschistische Spruch "credere, obbedire, combattere" (glauben, gehorchen, kämpfen) mit einer Glasplatte mit einem Hannah-Arendt-Zitat überdeckt: "Niemand hat das Recht, zu gehorchen." Eins jedenfalls lässt sich für problematische Denkmäler sagen: Sie regen zum Denken an. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 22.7.2020)