Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sah sich dazu veranlasst, auszurücken, um von den Muslimen in Österreich ein Bekenntnis zur Verfassung und zum Rechtsstaat einzufordern.

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Die Dokumentationsstelle Politischer Islam hat noch nicht einmal ihre Arbeit aufgenommen, und die erste Misere ist schon passiert. Und das hat sich ganz allein die ÖVP zuzuschreiben. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sah sich dazu veranlasst, auszurücken, um von den Muslimen in Österreich ein Bekenntnis zur Verfassung und zum Rechtsstaat einzufordern. Warum gerade er und warum ausgerechnet jetzt, ist völlig schleierhaft. Außerdem ist es ein fatales Signal.

Bei der Präsentation der Dokustelle hieß es, dass nicht die Religion, sondern der politische Islam im Fokus steht. Also nicht alle Gläubigen, sondern islamistische Umtriebe. Nun "wünscht" sich Sobotka, dass sich die muslimischen Organisationen zu einem gemeinsamen Bekenntnis für eine klare Trennung von Staat und Religion "durchringen", was der politische Islam nicht akzeptiere. Das riecht im Anschluss an die Präsentation nach Generalverdacht. Wie: Wir trauen euch allen nicht so richtig, deshalb hört jetzt gut zu.

Natürlich ist es problematisch, wenn laut einer Studie (700 Teilnehmer) 14 Prozent der hochreligiösen Muslime in Österreich die Trennung von Staat und Religion ablehnen. Genau dieser Tendenzen soll sich die Dokustelle annehmen.

Aber solche Vorstöße wie jener von Sobotka sind unnötig. Sie heizen eine brodelnde Debatte noch mehr an. So geht man nicht aufeinander zu – und kommt schon gar nicht weiter. Die Forschungsstelle wird die Hilfe und Expertise aus der muslimischen Community brauchen, mehr Offenheit dort darf sich die ÖVP nach solchen Aktionen wohl eher nicht erwarten. Sie muss sich entscheiden, ob es ihr um die Sache geht oder sie die Kluft in der Gesellschaft weiter aufreißen möchte. (Jan Michael Marchart, 23.7.2020)